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Auf der Suche nach brauchbaren Abfällen.

© Johnny Haglund

„Man & Mining“ im Hamburger Museum für Arbeit: Rohstoffabbau und die Abgründe des Konsums

Eine Ausstellung prangert an: 75 verschiedene chemische Elemente stecken in jedem Handy. Viele werden unter menschenunwürdigen Bedingungen im Globalen Süden gewonnen.

Stand:

Auf einer Mülldeponie in Accra zeigt der südafrikanische Fotograf Pieter Hugo ( geboren1976) den jungen Abdulai Yahaya inmitten von giftigen Qualmwolken und Schwefelfeuern beim Schrottsammeln. Das Horror-Bild konfrontiert mit der hässlichen Seite moderner Technologie und westlichen Konsums.

Dazu zählen immer gewaltigere Mengen elektronischen Abfalls aus Europa, der großenteils über eine legale Grauzone in Länder wie Ghana entsorgt wird. Dort suchen dann auf riesigen Abfallbergen notleidende Menschen nach Resten brauchbarer Wertstoffe wie Kupfer, Stahl und Aluminium zum Weiterverkauf.

Auf einer Mülldeponie in Accra.

© Johnny Haglund

Schürfen für zwei Dollar Tageslohn

Ähnliche Abgründe des Konsums verdeutlichen die Fotografien des Norwegers Johnny Haglund (geboren 1965). Er hat im indischen Jharia seit hundert Jahren brennende unterirdische Kohlenflöze und ihre heutigen Nutzer dokumentiert. Trotz Hitze und Rauch sammeln in den verlassenen Minen Erwachsene und Kinder Kohle für ihre Familien. Viele kommen dabei um. Tödliche Unfälle gibt es auch in Edelstein-Minen, die Toby Smith in Madagaskar dokumentierte. Dort schürfen Arbeiter für zwei Dollar Tageslohn mit der Hand nach Saphiren, um sie aus dreißig Metern Tiefe ans Tageslicht befördern.

Die Schreckensbilder aus aller Welt in der Ausstellung „Man & Mining“ im Hamburger Museum für Arbeit führen drastisch vor Augen, was Rohstoffabbau im Globalen Süden mit Menschen am untersten Ende von Waren- und Lieferketten macht.

Die Digitalisierung heizt den Verbrauch an

Besonders die Gewinnung von mineralischen Rohstoffen bringt angesichts der schnell wachsenden Weltbevölkerung und deren steigenden Konsumbedürfnissen immer größere ökologische, politische und soziale Probleme mit sich. Vielerorts fehlen nachhaltige Abbaupraktiken für Erz und Kohle, Gold, Silber und Edelsteine, Mangan und nicht zuletzt Seltene Erden.

Letztere sind für die Produktion elektronischer Erzeugnisse wie Tablets und Smartphones unerlässlich - und die Digitalisierung heizt den Verbrauch zusätzlich an. Das verursacht massive Belastungen, die auch künftige Generationen vor enorme Herausforderungen stellen.

Lebensgefährlicher Abbau in den Edelstein-Minen von Madagaskar.

© Toby Smith

Das Hamburger Museum hat die Schau mit dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte entwickelt. Ziel war es, anhand von künstlerischen Positionen die Bedingungen aktueller Rohstoffgewinnung und deren Begleiterscheinungen aufzuzeigen. Neben den Werken von Pieter Hugo, Johnny Haglund und Toby Smith sind Foto- und Videoarbeiten sowie Kunstinstallationen von Sebastião Salgado, Danny Franzreb, Lu Guang, Andrea Mancini, Lisa Rave, Gabriella Torres-Ferrer und dem Künstlerkollektiv Unknown Fields zu sehen.

Konsumverhalten hinterfragen

Im Mittelpunkt der Präsentation steht der Wunsch, das Thema menschenverachtenden Rohstoffabbaus vor allem in Ländern des Globalen Südens mit einer kritischen Diskussion hiesigen Konsumverhaltens zu verbinden. Kunst soll dabei helfen, politisches und soziales Bewusstsein zu wecken.

Unter dem Titel „Man without Mining“ ist deshalb ein interaktiver Bereich eingerichtet, der zum Nachdenken über persönlichen Verbrauch und ein Leben ohne kritische Rohstoffe auffordert.

Während die eigentliche Ausstellung mit künstlerischen Positionen und Ästhetik Kritik generiert, arbeitet der interaktive Part mit haptischen Elementen, vor allem aber mit Informationen.

Eigentlich müssten Handys 3000 Euro kosten

So sollten Verbraucher wissen, dass jedes durchschnittliche Smartphone Bauteile enthält, für die etwa 75 verschiedene chemische Elemente benötigt werden, welche fast alle aus dem Bergbau stammen. Und dass ein Smartphone, bei dem humane Arbeitsbedingungen eingehalten würden, über 3000 Euro kosten dürfte.

Solche Kenntnis könnte dazu beitragen, weniger oft den Verheißungen neuester Modelle zu erliegen und ein vorhandenes Gerät zu benutzen, solange es funktioniert. Schon das könnte ein Weiterwachsen der Elektroschrott-Deponien in Ghana und anderswo im Globalen Süden verhindern.

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