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George W. Bush. Man kann ihn kritisieren wie man will: Der Fokus seiner Amtszeit lag auf der arabischen Welt.

© Reuters

Früherer US-Präsident: Bush ist der Vater des Arabischen Frühlings

Für viel steht die Amtszeit von George W. Bush, zum Beispiel für die Miseren im Irak und in Afghanistan. Die Arabellion, sagt Jacob Heilbrunn, ist allerdings die direkte Folge einer klugen US-Politik des Ex-Präsidenten.

Der amerikanische Präsident könnte beim Thema einer Demokratisierung des Nahen Ostens kaum deutlicher sein: „Statt sich mit den Fehlern der Vergangenheit zu beschäftigen und anderen die Schuld zu geben, sollten die Regierungen im Nahen Osten sich den wahren Problemen stellen. Da sich in der gesamten Region ein Wandel vollzieht, sollten sich die Machthaber dort fragen, ob sie als Gegner oder als Freunde von Reformen in die Geschichte eingehen wollen.“

Klingt wie Barack Obama zu Libyen und Syrien? Es ist aber George W. Bush, der 2003 seine Freiheitsagenda für den Nahen Osten präsentierte. Niemand musste mehr Häme ertragen als Bush, als er forderte, dass der Westen seine Politik des Dialogs mit den Diktaturen des Nahen Ostens beendet. Die einzig realistische Alternative, meinten seine Kritiker damals, bestehe darin, die autoritären Regime weiter zu unterstützen oder Gefahr zu laufen, in der Region an Einfluss zu verlieren. Die Freiheit der Iraner, Syrer oder Libyer interessierte diese Bush-Kritiker keinen Deut. Das Wichtigste war, dass das Öl weiterfloss.

Inzwischen wirkt Bush wie ein Prophet. Wie Ronald Reagan, der belächelt wurde, als er Michail Gorbatschow aufforderte, die Berliner Mauer niederzureißen, war es womöglich George Bush, der den Kiesel geworfen hat, der zur Lawine im Nahen Osten wurde. Ein Regime nach dem anderen fällt, von Ägypten über Libyen bis Syrien, angesichts des Widerstands aus der Bevölkerung.

Der Nahe Osten hat nun die Chance, das zu werden, was Bush vorausgesagt hat. Bush hatte verstanden, dass die verknöcherten Regime in der arabischen Welt am Ende waren. Sein Angriff auf die Diktaturen war nicht nur militärisch, wie der katastrophal geführte Irakkrieg (Ex-Vizepräsident Cheney schreibt in seinen gerade erschienen Memoiren, dass Bush – im Gegensatz zu seinem Ruf als fanatischer Falke – gegen weite Militäreinsätze gegen Syrien und Iran war) – sondern auch rhetorisch. Er forderte, dass der Wind der Veränderung die arabischen Gesellschaften erfassen solle.

Jedes Mal, wenn eine arabische Diktatur fällt, strahlt Bushs Erbe heller. Natürlich werden alle Schlechtmacher behaupten, dass das alles Folge innenpolitischer Entwicklungen sei und nichts mit Druck von außen zu tun habe. Vielleicht hätten die Ereignisse in Tunesien allein auch den arabischen Frühling ausgelöst. Aber Bushs Ruf nach Freiheit und Demokratie in der arabischen Welt spiegelt sich auf frappierende Weise in den Forderungen der Demonstranten und Revolutionäre im Nahen Osten.

Lesen Sie auf Seite 2, was Obama in der arabischen Welt versäumt hat.

Präsident Obama hat dagegen zu Syrien vornehmlich geschwiegen. Er hat dazu lediglich eine Rede gehalten, als er 2009 in Kairo die Freiheit für den Nahen Osten begrüßte. Seitdem hat er versucht, mit Baschar al Assad ins Geschäft zu kommen, als ob der ehemalige Augenarzt über eine Vision für Syrien verfügen würde. Aus Assad, hieß es im Weißen Haus, könne man einen Reformer machen.

Im Fall von Libyen handelte Obama entschieden und schmiedete eine Nato-Koalition, die Luftangriffe flog. Aber hier folgte Obama den Fußstapfen von Bush: Er setzte Militär ein, um einen verhassten Diktator zu vertreiben. Es ist durchaus möglich, dass Ägypten, Libyen, Syrien und andere Länder ins Chaos gleiten. Aber es gehört schon ein großes Maß an Verachtung für die Araber dazu, anzunehmen, dass sie von Haus aus unfähig sind, sich demokratisch zu regieren. Wer wollte behaupten, dass Libyen heute besser dran wäre, wenn Muammar al Gaddafi und seine Söhne noch an der Macht wären?

Es ist ironisch und traurig, dass Deutschland, das erst nach dem Zweiten Weltkrieg eine echte Demokratie wurde, besonders zurückhaltend auf den Wunsch nach Freiheit im Nahen Osten reagiert. Aber es ist ja auch ein Land, das sich in so absurde Debatten verwickeln lässt wie die, ob der Mauerbau, wie von der Linkspartei behauptet, die größte historische Errungenschaft der Deutschen ist. Vielleicht braucht es den Nahen Osten, um den Westen von der Überlegenheit der Demokratie zu überzeugen – etwas, das George W. Bush schon immer behauptet hat.

Der Autor ist Senior Editor beim „National Interest“. Übersetzt von Moritz Schuller.

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