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Flughafen-Desaster: Berliner Luftnummer
Für das Desaster in Schönefeld schieben sich die Verantwortlichen nun gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Dabei war das Scheitern vorherzusehen - auch für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit.
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Drama, Desaster, Dilettantismus – der Chor der Empörung über die peinlich geplatzte Eröffnung des neuen Berliner Flughafens gibt die Stimmung des Augenblicks angemessen wieder. Damit hatte niemand gerechnet, das war unvorstellbar. Noch ist vieles nicht klar; es wird Jahre dauern, die Schuld an der unfassbar kurzfristigen Absage und die damit verbundenen Ansprüche zu klären. Da werden noch viele Dutzend Millionen Euro fällig, von wem und an wen auch immer. Aber wie groß ist der Schaden, der über das unmittelbar Materielle hinausgeht? Wie schwer wirkt die Häme, die von Flughafengegnern, aus anderen Städten, anderen Ländern jetzt auf Berlin einschlägt, und: Wie lange wirkt sie nach? Hier, wo sonst viele Nackenschmerzen bekommen vom Hochtragen der eigenen Nase, zieht man gerade den Kopf ein zwischen den Schultern. Peinlich, so peinlich.
Doch wenn man sich für einen Moment entfernt von der Absturzstelle, zeitlich und örtlich, bekommt das Desaster eine etwas andere Dimension. Zwanzig Jahre wurde geplant und gebaut, für die kommenden fünfzig Jahre, Milliarden haben die Gesellschafter investiert – da erscheinen die Extrawochen und Extramillionen irgendwann zwangsläufig als Anekdote: Ach ja, der Tag, als die Partyhauptstadt ihre größte Party absagte. Es ist kein Trost für diesen Tag, aber der Flughafen selbst, modern und schön, wie er ist, wird schon bald größer und wichtiger sein als seine verpatzte Eröffnung.
Hohn und Spott - Reaktion auf die Verschiebung der Eröffnung
Verändert sich irgendwas in Berlin durch diesen Crash? Wird irgendwer klug aus dem Schaden? Hat irgendein Image gelitten? Der Imageschaden wurde ja gleich unterstellt, mit möglicherweise verheerenden Folgen. Aber am Tag danach ist Berlin doch noch immer Berlin: ein bisschen cool, ein bisschen schlampig; mal dauert die Party länger, mal findet sie woanders statt, mal kommt der Handwerker später, mal kommt er gar nicht. Genau dafür wurde Berlin in den vergangenen zwanzig Jahren von vielen geschätzt, für die Andersartigkeit, die Unberechenbarkeit, die Überraschung, die Hemdsärmeligkeit, die Krawattenlosigkeit.
Mal früher, mal später, egal: laissez faire, laufen und leben lassen. Dafür, und nur dafür, ist Berlin eine der angesagtesten Metropolen der Welt geworden. Auf der Rückseite dieses Bierdeckels aber steht eine gepflegte Verwahrlosung des öffentlichen Raums und die Abneigung gegen Kontrollierbarkeit. Für beides, im Guten wie im Schlechten, steht seit mehr als zehn Jahren Klaus Wowereit.
So entsteht der Flughafen BER - die Geschichte in Bildern
Daran, das wusste hier jeder, musste sich irgendwann etwas ändern, denn auf einem Image allein lässt sich auf Dauer nichts bauen. Der Flughafen sollte das Symbol werden des wieder einmal neuen Berlin, der diesmal auch wirtschaftlich wachsenden Stadt. Auf diesen Moment, auf die Eröffnung des schicken neuen Tors zur Welt, war alles ausgerichtet.
Diesmal musste es pünktlich klappen, nicht wegen ein paar Tagen oder Millionen, sondern wegen der Drehkraft des Augenblicks. Klaus Wowereit ist keiner der vielen Brandschutzexperten, über die Berlin offenbar plötzlich verfügt, er ist nicht Bauplaner und auch nicht Geschäftsführer, er ist nur Regierender Bürgermeister und Vorsitzender des Aufsichtsrats. Aber hat er wirklich alles gemacht, um der Bedeutung dieses Moments auch gerecht zu werden? Ministerpräsident Matthias Platzeck, Aufsichtsratskollege von Wowereit, war damals, als das Hochwasser kam, Tag und Nacht auf dem Deich. Wowereit war bisher nur einmal kurz auf dem Baum.
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