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Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag im Bundestag

© Ralf Hirschberger/dpa

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Mehr als ein Krimi

Warum ein Untersuchungsausschuss in der Bamf-Affäre nützlich sein könnte. Ein Kommentar

So schnell kann’s gehen. Horst Seehofer, der die Kanzlerin etliche Jahre lang vor sich hertrieb, die Flüchtlingspolitik der Regierung, an der seine CSU beteiligt war, gar als „Herrschaft des Unrechts“ diffamierte: Er verantwortet sie jetzt direkt als zuständiger Minister. Und konnte am Donnerstag, gleich beim ersten Auftritt in einer Haushaltsdebatte, nicht mit großen Entwürfen und Absichtserklärungen glänzen, sondern landete in der staubgrauen Wirklichkeit des Regierens. Jetzt muss Seehofer erst einmal offenbar jahrelange rechtswidrige Praktiken in der Bremer Außenstelle des „Bundesamts für Migration und Flüchtlinge“ aufklären. Unrecht? Das gibt es auch in kleinerer Münze als er es Merkel vorwarf. Unrecht ist ab sofort seins – mochte Seehofer im Bundestag auch noch so oft betonen, dass das alles weit vor seiner noch jungen Amtszeit geschah.

Nürnberg ist seit Jahren im Ausnahmezustand

Die Legende von der Königsboa Merkel, die alle ihre Feinde tödlich umarme, dürfte jetzt ein neues Kapitel bekommen – auch wenn Seehofer ja selbst auf gerade diesen Sessel in ihrem Kabinett drängte. Nicht nur Thomas de Maizière hätte, wenn er denn wollte, Grund zur Schadenfreude. Der hat sein Ministerbüro schließlich nicht ganz freiwillig für den Nachfolger aus München geräumt. Vorm Parlament stand in dieser Haushaltsdebatte ein etwas müder Horst Seehofer. Dass er die Bremer Angelegenheit an den unabhängigen Bundesrechnungshof abgeben hat, ist sicher nicht der schlechteste Versuch, mit Anstand Abstand von der Affäre zu bekommen. Wenn er nicht doch noch über die Frage stolpert, ob er früher Bescheid wusste, als er bisher bekennt.

Der Fall Bremen hat alle Zutaten eines Krimis. 1200 Asylbescheide sollen rechtswidrig ausgestellt worden sein, verantwortlich dafür wird die langjährige Chefin der Außenstelle gemacht. Staatsanwaltschaft und interne Revision müssen untersuchen, wer persönlich Verantwortung trägt. Dennoch gibt es Grund, auch aufs System zu schauen. Die, soweit bekannt, ältesten Hinweise auf manipulierte Asylentscheidungen in Bremen datieren von 2014. In Syrien war seit drei Jahren Krieg, die große Nürnberger Behörde hatte mit sprunghaft wachsenden Antragszahlen zu tun. In den eineinhalb Jahren ab dem Sommer 2015 hatte das Bamf drei Präsidenten, der Personalbestand wuchs auf das Doppelte, die Neuen mussten rasch eingearbeitet werden, geprüft wurde – nicht nur in Bremen – offenbar weniger. Im Grunde hat Nürnberg jahrelang im Ausnahmezustand gearbeitet, unter erheblichem Erfolgsdruck von Politik und Öffentlichkeit, auch von uns in den Medien. Hätte das Amt besser damit umgehen können? Was lässt sich lernen? Vielleicht wäre der Untersuchungsausschuss, mit dem die Opposition jetzt droht, in Wirklichkeit eine Gelegenheit, das herauszufinden.

AfD-Nachlaufen führt auf Abwege

Die Drachentöter-Pose hilft da jedenfalls nicht. Das erfährt jetzt Horst Seehofer, das könnte auch sein Münchner Nachfolger Markus Söder noch lernen, der auf sinkende Verbrechenszahlen in Deutschland paradoxerweise damit reagiert, die Zugriffsrechte von Bayerns Polizei zu erweitern. Wer mit der AfD Nachlaufen spielt, sollte die Abwege, auf die er dabei gerät, sorgfältig auswählen.

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