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iPhone & Tablet-PC: Das Web sei mit uns

Joachim Huber über iPhones und das Twitter-Gewitter

Es ist klein, flach, und es ist böse. Das iPhone nimmt erst unsere Sinne und dann uns selbst gefangen. Es wird noch schlimmer kommen, sobald sich das iPhone zum Tablet-PC auswächst. Dann sind die Millionen Smartphone-Jünger endgültig verloren. Sie werden für die Multimedia-Maschine leben, das Gerät hat sie abhängig gemacht. Ich lebe, weil ich online bin, ich lebe erst, wenn ich online bin.

Das entscheidende Moment dieser Beelzebubs ist nicht die bloße Telefonfunktion wie beim Handy. Der neue, der digitale Kick ist das Internet-to-go. Es ist Zeit zum Abschiednehmen: Das stationäre Netz via PC in Wohnzimmer und Büro wird erweitert, wo nicht abgelöst vom mobilen Netz. Das Web ist im Wortsinne mit uns, die moderne Technik integriert das universelle Internet in den individuellen Alltag. Google, Facebook, Twitter und all die anderen Applikationen des digitalen Momentums werden Lebensbegleiter.

Wer nicht aufpasst, für den wird die stete Erreichbarkeit zur ohnmächtigen Verfügbarkeit, zum Terror der Nähe. Wer aufpasst, der bekommt Kontakte, Rat, Hilfe. Es kann gewaltig nerven, wenn andere im Sekundentakt die aktuelle Befindlichkeit, den gerade eingenommenen Standort, die gerade beendete Tätigkeit ins Auge drücken, trotzdem stecken da ein Verlangen und ein Bedürfnis dahinter. Kommunikation in Echtzeit heißt Leben live. Das Smartphone ist die Wärmflasche von Single-Deutschland. Es kann ein soziales Instrument sein.

Muss einer trotzdem in Angststarre verfallen und „FAZ“-Herausgeber Frank Schirrmacher zunicken, der im Twitter- Gewitter, im E-Mail-Sturm, im technoziden Lemming die Überforderung, die Ich-Erschöpfung fürchtet, dass wir uns mit den Algorithmen kompatibel machen und der Rechnerlogik anheimfallen? Angst verkauft sich immer gut, Angstmachen noch besser. Der Standpunkt kann aber keinesfalls nur der des Süchtigen sein. Wahr ist: Wer mit und vom Web leben will, der muss dem Web etwas geben. Zeit, Geld, Aufmerksamkeit, Zuneigung.

Das erwachsen gewordene iPhone, Tablet-PC geheißen, wird auch Bücher auf seine glatte Oberfläche zaubern – wenn der Nutzer es per Finger und Wischbewegung so will. Er hat es buchstäblich in der Hand, pragmatisch, situativ, selbstbestimmt zu suchen und zu finden, zu senden und zu empfangen. Es wird nur das relevant, was der Nutzer für relevant erklärt. Bücher sind so wertlos wie Smartphones, solange der Leser/der Nutzer sich die Inhalte nicht zu eigen macht. Es braucht keine neue Alphabetisierungskampagne, es braucht die Alphabetisierung des Umgangs. Übertreiben ist möglich, Souveränität ebenso.

Das digitale Zeitalter bietet Erleichterung und Herausforderung zugleich. Ist alles im Netz und jeder mit sich selbst permanent im Netz, wird es den PC-User und den Smartphoniker – Obacht, Angsthasen! – zwei Mal geben: als realen Menschen und als virtuelle Existenz. Die nicht geringe Leistung wird darin bestehen, die digitalisierte Persönlichkeit von der wirklichen nicht wegdriften zu lassen – sonst endet der Nutzer in der digitalen Schizophrenie und er/sie/es ist tätsächlich ein anderer. Das Ziel, sich das Spiegelbild des eigenen Apps für das eigene iPhone herunterzuladen, ist definitiv der eine Schritt zu viel.

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