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Der Verkehr staut sich auf der Autobahn A9 südlich von Nürnberg in Richtung München.

© dpa/Daniel Vogl

Doch kein Verbrenner-Aus: Die Zukunft ist trotzdem elektrisch

Mit der deutlichen Abschwächung des eigentlich bis 2035 geplanten Zulassungsstopps für Verbrennermotoren will die EU vor allem deutschen Herstellern Beinfreiheit verschaffen. Dabei gibt es einen klaren Gewinner: China.

Henrik Mortsiefer
Ein Kommentar von Henrik Mortsiefer

Stand:

Einen Erfolg konnte die deutsche Automobilindustrie schon verbuchen, bevor die EU-Kommission am Dienstag ihre Entscheidung zum Verbrenner-Aus verkündete: Die Branche hält die Politik auf Trab.

Auch wenn allenthalben der Niedergang der „Schlüsselindustrie“ beschworen wird, hat sich zuletzt doch wieder gezeigt, wie vital und einflussreich diese Industrie und ihre Strippenzieher noch sind.

Es ist ihnen gelungen, die vielfältigen Ursachen für die Probleme der Branche auf ein einziges Thema zu fokussieren: das Verbrenner-Aus im Jahr 2035.

Die dramatische Botschaft, dass an der CO₂-Regulierung der EU die Zukunft des gesamten Wirtschaftszweigs mit Millionen Arbeitsplätzen hänge, kam an. Friedrich Merz und sein Koalitionspartner SPD haben sich kürzlich eine Wunschliste der Autohersteller diktieren lassen und an Ursula von der Leyen weitergeleitet.

Wie sehr sich die EU-Kommission vom Brandbrief aus Berlin hat beeindrucken lassen, wird sich zeigen. Zu hören ist, dass Brüssel den Autokonzernen mehr Zeit geben will, ihre Klimaziele zu erreichen. So sollen die klimaschädlichen CO₂-Emissionen 2035 nicht wie ursprünglich vereinbart vollständig reduziert werden, sondern nur zu 90 Prozent. Womöglich soll auch 2040 noch Spielraum für neue Verbrenner bleiben.

Mehr Beinfreiheit für Hersteller

Offen ist, wie die verbleibenden zehn Prozent behandelt werden. Dürfen die schmutzigsten Modelle eines Herstellers einfach weiter Benzin oder Diesel verbrennen, müssen Plug-in-Hybrid-Motoren sie ersetzen, werden andere CO₂-Quellen im Produktionsprozess angerechnet, gelten künftig Elektro-Quoten für Firmenwagen? Die EU-Kommission wird diese Fragen am Dienstag beantworten.

Klar ist bereits: Die Hersteller und ihre Zulieferer bekommen vorübergehend mehr Bewegungsfreiheit in jenem Geschäft, das sie beherrschen und in dem sie am meisten verdienen. Ein längeres Leben für Benziner und Diesel könnte kurzfristig helfen, die (noch) fehlenden Beiträge der Elektromobilität aufzufangen. Angesichts einbrechender Gewinne, eines ruinösen globalen Wettbewerbs, US-Strafzöllen und Rohstoffabhängigkeit kann man darüber diskutieren.

China gewinnt gewissermaßen immer. Investieren die deutschen Hersteller wieder mehr in den Verbrenner, bauen die Chinesen ihren Wettbewerbsvorteil in der E-Mobilität aus. Setzen sie stärker auf E-Autos, wächst die Abhängigkeit von Batterie-Rohstoffen und deren Verarbeitung in China.

Henrik Mortsiefer

Aber es ist nicht mehr als eine Überbrückung. Sie wird die strukturellen Probleme langfristig nicht lösen. Es gibt sogar gute Gründe, anzunehmen, dass die politische Pannenhilfe die Schwierigkeiten noch vergrößert. Den angestellten Managern, die ihre Quartalsbilanzen im Blick haben, könnte das egal sein. Die Politik allerdings sollte es ernst nehmen.

Zum Beispiel die Bedrohungslage, die sich in und aus China heraus aufgebaut hat, weil die europäische Industrie zu spät erkannt hat, dass sie angreifbar ist. Peking zieht beim Ausbau der Elektromobilität durch, was die Kommunistische Partei in den 2000er-Jahren beschlossen hat. Die Chance, die westlichen Autohersteller mit Batterie-Know-how und Rohstoffen sowie subventionierten Auto-Start-ups vom Markt zu fegen, lässt sich der Staat nicht nehmen – und je unsicherer die Etablierten werden, desto selbstbewusster wird China sein.

Die Folgen sind bekannt. Deutsche Hersteller fallen auf dem chinesischen Markt, wo jeder zweite Neuwagen elektrisch fährt, weit zurück. Und in Europa sind Chinesen dabei, Fabriken zu bauen und Kunden zu überzeugen, dass gute Elektroautos auch für kleineres Geld zu haben sind – nur nicht unbedingt von BMW, Mercedes oder VW.

China gewinnt gewissermaßen immer. Investieren die deutschen Hersteller wieder mehr in den Verbrenner, bauen die Chinesen ihren Wettbewerbsvorteil in der E-Mobilität aus. Setzen sie stärker auf E-Autos, wächst die Abhängigkeit von Batterie-Rohstoffen und deren Verarbeitung in China.

Wie kommt die Branche aus dieser Falle heraus? Es gilt abzuwägen, wohin die Reise der Automobilität auf lange Sicht gehen soll. An eine Zukunft „hocheffizienter Verbrenner“ zu glauben, die die Gesetze der Physik außer Kraft setzen, die Chinesen in Schach halten und den Klimawandel verschieben, kann nicht die Option sein. Das kann man getrost Donald Trump überlassen.

Die Zukunft ist elektrisch, trotz der damit verbundenen Herausforderungen. Das sagen auch die deutschen Autokonzerne und untermauern es mit Milliardeninvestitionen und einer engagierten Transformation.

Aber es reicht noch nicht. Das Niveau der Ambitionen ist gesunken – und die Politik trägt gerade leider dazu bei, es weiter absinken zu lassen.

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