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US-Präsident Joe Biden nimmt das Wahlkampfthema Asylpolitik auf.

© REUTERS/KEVIN LAMARQUE

US-Präsident verschärft Asylrecht: Joe Biden agiert als Getriebener, nicht als Gestalter

Im vergangenen Jahr überquerten mehr als 2,4 Millionen Menschen die südliche US-Grenze. Das Thema Einwanderung könnte wahlentscheidend sein. Nun hat Joe Biden gehandelt. Zu spät?

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

Stand:

Das Asylrecht ist ein Menschenrecht. Wer vor Folter und Verfolgung flieht, muss geschützt werden. Dieses elementare Hilfsgebot gilt für alle Staaten. Weil der Westen sich selbst als Wertegemeinschaft begreift, steht er besonders in der Pflicht, seinen eigenen humanitären Ansprüchen gerecht zu werden.

Menschenrechte, auch das muss betont werden, richten sich nicht nach Zahlen, Obergrenzen oder dem Wer-zuerst-kommt-Prinzip. In der Praxis allerdings sind sie auf Zustimmung und Akzeptanz angewiesen. Zwischen ideal und real muss ein Ausgleich gesucht werden.

US-Präsident Joe Biden hat die Regeln für Migranten an der Grenze zu Mexiko drastisch verschärft. Irregulär eingereiste Menschen können künftig ohne vorherige Bearbeitung ihrer Asylanträge abgeschoben werden.

Die Verordnung wirkt, sobald pro Tag mehr als 2500 illegale Grenzübertritte verzeichnet werden. Sie wird aufgehoben, wenn die Zahl wieder auf 1500 gesunken ist. Mit anderen Worten: Sie tritt sofort in Kraft. Zuletzt waren es im Januar 2021 weniger als 2500 pro Tag, als Biden sein Amt antrat. Seitdem wurden es immer mehr.

Der Präsident stellt sich als ein Getriebener dar. Im vergangenen Jahr überquerten mehr als 2,4 Millionen Menschen die südliche US-Grenze, allein im Dezember kamen 10.000 täglich. Alle Versuche, im Kongress das Zuwanderungsrecht zu verschärfen, scheiterten am Widerstand der Republikaner. Wirtschaftliche Kooperationsabkommen mit Mexiko brachten nicht den erhofften Erfolg. Auch Bidens Sonderbeauftragte für die Situation an der Grenze, Vizepräsidentin Kamala Harris, richtete nichts aus. Was also blieb ihm übrig?

Wahr ist aber auch, dass dieser harten Maßnahme ein Hauch Panik innewohnt. Für Amerikaner steht das Thema Einwanderung seit Anfang des Jahres ganz oben auf der Liste der zu lösenden Probleme. Laut dem Umfrage-Institut Gallup hat es in seiner Relevanz die Themen Regierungspolitik, Wirtschaft und Inflation überholt. Ein Getriebener setzt auf den Mitleidseffekt. Bidens Verschleppungspolitik könnte ihm freilich auch als Schwäche ausgelegt werden.

Die USA sind ein Einwanderungsland. Amerika ehrt seine Einwanderer und baut ihnen Museen. Ob Chinatown, St.-Patricks-Day, Little Italy oder Schuhplattling: Hier kommt jeder von irgendwo her, trägt Erinnerungen, eine Geschichte, Kultur und Tradition mit sich. Amerikaner sind stolz darauf, Amerikaner zu sein. Aber sie sind auch stolz auf ihre Herkunft.

Ihre Sorge über die Lage an der südlichen Grenze ist nicht rassistisch begründet. Sie sorgen sich in erster Linie um die Aufnahmefähigkeit ihres Landes, um Integrationskapazitäten. An dieser Stelle müsste eine demokratische Regierung ansetzen.

Wer stattdessen während einer fast vollen Amtszeit zusieht, wie sich ein Problem verschärft, ohne es in den Griff zu bekommen, munitioniert wider Willen die Opposition. Und wie soll es weitergehen? Sommer und Hitze nahen. Die Migranten, Verfolgten und Zufluchtsuchenden werden nicht einfach verschwinden. Die Regeln lassen sich verschärfen, das Elend aber, dem die Menschen entkommen wollen, bleibt.

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