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Gegen den algerischen Autor Kamel Daoud sprach bereits 2014 eine Salafist eine Fatwa aus. Er bleibt dennoch in Algerien.

© AFP

Silvester in Köln: Kamel Daoud will schweigen

Der polemische Text des algerischen Autors über Silvester in Köln und Sex im Islam wurde scharf kritisiert. Nun zieht sich der Autor zurück.

„Ich weigere mich, an Diskursen teilzunehmen, die sagen, wir, in der arabischen Welt, könnten nichts dafür, dass es den ,Islamischen Staat’, den Terrorismus und das wirtschaftliche Versagen gibt“, sagt Kamel Daoud in einem Interview mit der FAZ. Es ist diese Art von Haltung, diese Selbstbezichtigung des algerischen Autors, der ihn immer wieder ins Fadenkreuz von Fundamentalisten brachte.

Daoud ist prononcierter Kritiker des politischen Islam und der Repression in islamischen Gesellschaften. Er neide dem Westen die Freiheit der Frau, sagt er. Doch das sei das einzige. Daoud kritisiert die Westfixierung arabischer Gesellschaften genauso wie innerislamischer Verantwortungsapologetik.

Als Kommentator ist Daoud Kritik gewohnt, er scheut keine Polemik. Die Kritik aber, die auf seinen Text in "Le Monde" und der „New York Times“ folgte, war selbst ihm zuviel. Er kündigte an, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen.

Frauen, die keine Bananen anfassen dürfen

„Sex ist die größte Misere im Land Allahs“, schreibt Daoud. Islamisten verordneten radikale Prüderie, in einigen islamischen Ländern dürften Frauen keine Bananen berühren und es sei verboten, nackt Sex zu haben. Die Tabuisierung von Körperlichkeit, so Daoud, führe zu einem pathologischen Sex-Verständnis, das Flüchtlinge nun in den Westen trügen. Sein Beispiel: Die Vorfälle von Köln.

Nicht nur vonseiten konservativer Muslime gab es Kritik; auch aus akademischen Kreisen. Daouds Text wurde derweil nachgedruckt, darunter in „La Repubblica“ und der „FAZ“. Vom Maghreb über Europa bis in die USA bezogen viele Intellektuelle Stellung.

19 prominente französische Intellektuelle wandten sich an Daoud und zeigten drei Kernfehler seiner Analyse: Erstens, einen geographischen Raum von Marokko bis Indonesien als „Land Allahs“ zu konstruieren sei religiöser Essentialismus. Zweitens stelle er mit einem westlichen, freiheitlichen Frauenbild einen Gegenspieler auf, der die Ungleichheit der Frau im Westen negiere. Und drittens psychologisiere er männliche muslimische Täter, ohne Rücksicht auf individuelle, soziale, politische und wirtschaftliche Motive.

Kamel Daoud wehrte sich in einem offenen Brief und erklärte sein Dilemma: Als Kritiker maghrebinischer Theokratie gebe er Hass auf Muslimen Vorschub. Seine Konsequenz daraus: Schweigen. Aber nicht ganz: Literarisch arbeite er weiter. Sein Debut, „Der Fall Meursault“, gewann 2013 bereits Frankreichs bedeutendsten Literaturpreis.

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