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Klingbeils Renten-Versprechen: Gegen die Fakten regiert es sich schlecht
Eine „echte Reform“ bei der Rente fordert der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil. Dabei betreibt Schwarz-Rot Gießkannenpolitik der schlechtesten Art. Warum das Versagen so bitter ist.

Stand:
Der Klimawandel ist keine ernsthafte Bedrohung. Die AfD wird sich schon selbst entzaubern. Die Bundeswehr ist einsatzbereit.
In der Politik lassen sich viele Illusionen erstaunlich lange aufrechterhalten. Die Frage ist nur stets, wie lange genau.
Schwarz-Rot gibt in Sachen Rente eine Antwort auf diese Frage. Vier Jahre lang soll dem Koalitionsvertrag zufolge so getan werden, als könne im Großen und Ganzen alles bleiben, wie es ist. Die 48-Prozent-Rentengarantie, die Ausweitung der Mütterrente, die weiterhin abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren, die Nicht-Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters – angeblich ist das alles bezahlbar. Auch wenn die demographischen Fakten etwas anderes sagen.
Das Bündnis folgt einem der schlechtesten Prinzipien praktischer Politik: Für diese Legislaturperiode wird es schon irgendwie gehen, und ansonsten gilt „Nach uns die Sintflut“.
Doch nun kommt Lars Klingbeil daher und fordert mit großer Geste, Schwarz-Rot müsse bei der Rente die Kraft für eine „echte Reform“ finden. Sonst kämen diejenigen, „die mit Kettensägen den Sozialstaat zerstören wollen“.

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Es klingt, als wolle Klingbeil darauf hinweisen, dass das im Koalitionsvertrag Vereinbarte noch nicht reicht. In Wirklichkeit aber täuscht der SPD-Vorsitzende nur geschickt an.
Denn mehrere Stellschrauben, an denen die Regierung tatsächlich drehen müsste, erklärt er direkt für sakrosankt. Das Renteneintrittsalter solle nicht erhöht und die Rente nach 45 Beitragsjahren nicht angetastet werden, sagt Klingbeil. Und ein Rentenniveau von 48 Prozent sei „das Mindeste“.
Von einem Eichhörnchen kann Klingbeil noch lernen
Tja. Wer mit dieser Haltung in die Reformdebatte geht, nimmt sich selbst das Werkzeug aus der Hand. Viel bleibt da nicht mehr übrig. Dabei kann eine sinnvolle Rentenpolitik nur funktionieren wie beim Eichhörnchen, das sich mühsam ernährt. Hier ein Nüsschen, da eine Frucht. Es braucht viele kleine Ideen – denn den einen großen Wurf gibt es nicht. Im System sind viele Stellschrauben, an allen muss ein bisschen gedreht werden.
Schwarz-Rot hingegen baut Bremsscheiben ein, zum Beispiel beim Nachhaltigkeitsfaktor, der einst eingeführt wurde, um die Lasten des demographischen Wandels zwischen Alt und Jung zu verteilen. Zwar behaupten die Parteien im Koalitionsvertrag, sie würden daran grundsätzlich festhalten. Doch sie strafen sich selbst Lügen, eben weil sie gleichzeitig das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent garantieren, den Faktor also aushebeln.
Wenn es bei dem bleibt, was vereinbart ist, wird die künftige Koalition hier und dort herumwerkeln, sich um die große Aufgabe aber herumdrücken. Sie weist über die Grenzen des Rentensystems hinaus und lautet: Wie können die Sozialversicherungssysteme insgesamt zukunftsfähig gemacht werden?
Akuter noch als bei der Rente sind die Probleme bei der Pflege und der Gesundheit. Die Politik muss mehr tun als staunend danebenzustehen, während die Beiträge immer weiter steigen.
Doch um konkret bei der Alterssicherung zu bleiben: Natürlich sind komfortable Renten wünschenswert. Aber wenn so viele Jüngere finanziell unter so großem Druck stehen wie jetzt, ist Respekt vor der Lebensleistung Älterer eben nicht die alleinige Antwort auf jede Rentenfrage.
Die Ausweitung der Mütterrente ist dafür das beste Beispiel. Auf dem Konto der Einzelnen kommt sehr wenig an, in der Summe ist es wegen der Vielzahl der Fälle trotzdem gigantisch teuer. Es ist Gießkannenpolitik der besonders ineffizienten Art.
Insgesamt stehen die Rentnerinnen und Rentner finanziell besser da, als Politiker oft glauben machen. Eine verantwortliche Rentenpolitik würde den Fokus stärker darauf legen, welche Menschen tatsächlich aus der unverdienten Altersarmut geholt werden müssen und bei wem die Rentenanpassung auch einmal etwas kleiner ausfallen kann, wenn die Umstände es erfordern. Eine Rentenpolitik, die allen alles verspricht, verfehlt am Ende jene, die wirklich Hilfe brauchen.
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