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Xi-Idolatrie zu Lebzeiten. Ausstellung zur Geschichte der KPC im Roten Gebäude der Peking-Universität. 

© AFP / JADE GAO

Kooperation mit Autokratien: Still und heimlich schließen sich die Türen

Der deutsch-chinesische Dialog von Wissenschaftlern braucht Kontinuität, aber auch einsehbare Regeln. Ein Gastbeitrag.

Von
  • Andreas Fulda
  • Sascha Klotzbücher

Stand:

Wie soll die deutsche Wissenschaft mit Autokratien umgehen? Im März 2022 sprach Peter-André Alt, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, in Bezug auf Russland und China von „frustrierenden Realitäten“ und einem „Lernprozess innerhalb der Wissenschaft“. Der „Wandel ... hin zu einem kritischen Realismus“ macht ein Dilemma in der deutschen Chinawissenschaft sichtbar.

Unter Wissenschaftlern besteht weitgehend Konsens, dass ein horizontaler und ergebnisoffener Austausch mit China wünschenswert ist. Allerdings übt das Xi-Regime mittlerweile nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ massiven Einfluss auf Themenwahl und Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften aus.

Paul Charon und Jean-Baptiste Vilmer haben in ihrem 2021 erschienen Buch „Chinese Influence Operations“ beschrieben, wie die Kommunistische Partei über ihre Einheitsfront im Ausland versucht, „die über China veröffentlichte Forschung zu kontrollieren“. Welche Auswirkung hat politischer Druck auf bestehende Forschung und Kooperationsmuster und welche Schlüsse sind daraus zu ziehen?

Die drei inkrimierten Ts

Tibet, Taiwan und Tiananmen (die drei Ts) waren immer schon politisch sensitive Themen. Mittlerweile können westliche Feldforscher Minoritätengebiete nicht länger besuchen. 2021 kam es zum Eklat.

Angestellte am Mercator-Institut in Berlin, Adrian Zenz und andere europäische WissenschaftlerInnen wurden für ihre regimekritische Chinaforschung mit Sanktionen belegt. Zenz hatte zuvor quasi im Alleingang die Umerziehungslager mit offiziellen Dokumenten und Daten über das Internet aufgedeckt. Seine Publikationen wurden im jüngsten UN-Bericht zur Lage der Menschenrechte in Xinjiang prominent zitiert.

Mit den Sanktionen war die Botschaft der Partei hingegen unmissverständlich: im deutsch-chinesischen Dialog sind solche Stimmen unerwünscht. Zwar solidarisierten sich in einem offenen Brief 80 an deutschen Universitäten lehrende Wissenschaftler mit den sanktionierten Kollegen. Doch Zenz konnte danach außer an der Universität Göttingen bisher noch keinen Vortrag an Sinologie-Instituten halten. Dies zeigt, welche Wirkung das von Peking auferlegte Stigma haben kann.

Das Ausland - ein ferner Traum

Türen schließen sich auch für andere: Chinesische Forscher können nicht mehr oder schwer an Kongressen im Ausland teilnehmen. Missliebige Professoren von chinesischen Universitäten werden unter fadenscheinigen Gründen gefeuert. Andere, wie die uigurische Anthropologin Rahile Dawut oder der Ökonom Ilham Tohti, verschwinden im Gefängnis.

Auch in Deutschland werden chinesische Wissenschaftler, wie 2014 am Konfuzius-Institut an der Universität Hamburg bei nicht politisch gewünschten Vorträgen zu Tiananmen, vom Konsulat nach Hause beordert. Kooperation und Diskussion in bestimmten Forschungsbereichen wird so unkalkulierbar und gefährlich, wenn nicht unbedingt für uns, so doch für die aus China und nach chinesischen Bedingungen entsandten Forscher.

Eigentlich wären die Chinawissenschaften geeignet, ihr Wissen einzubringen, wie diese Gratwanderung zwischen Kooperation und Selbstzensur gegangen werden könnte. Stattdessen ist man methodisch überfordert, die eigene Positionalität als Beobachter und Kooperationspartner zu reflektieren.

Audienz mit Xi

Zensur und politische Intervention, z. B. an den Konfuzius-Instituten in Hamburg oder in Duisburg, wurde nicht offengelegt, sondern hastig gelöscht. Transparenz bei Entscheidung und Finanzierung wurde nie erreicht, Verschwiegenheit ist weiterhin Teil der Verträge.

Bei einer Einladung mit Kollegen des Hanban, der international agierenden Kulturorganisation der Volksrepublik, im März 2014 nach Berlin fanden sich die Sinologie-Professoren unverhofft in einer Audienz von Xi Jinping.

Nur einen Tag später wurde dieses Treffen propagandistisch in der KP-Volkszeitung verkündet, die Professoren als Berater für mehr chinesische Softpower zitiert. Auf dem Bild ist Xi mittig von vorne, die deutsche Delegation kommt gerade noch mit dem Rücken zur Kamera aufs Bild.

Filmmaterial dieser sehr ungleichen Beziehung wurde noch drei Jahre in einem Propagandafilm der KP verwertet, geschnitten als eine andächtige Unterwerfung unter Xi Jinping. Kooperation, so hat Ralph Weber jüngst hervorgehoben, berge auch immer die Gefahr der Kooptierung.

Kooperation mit dem „offiziellen China“ kann sich durchaus lohnen: Es winken Zugang zu Daten, Ressourcen sowie Lehr- und Forschungspersonal. Doch der Zugang zu diesen Ressourcen erforderte undokumentierte Kompromisse, welche pragmatische Wissenschaftler schnell zu Komplizen werden lässt.

Dialog mit Zensur ist ein Unding

Etablierte Chinawissenschaftler würden gerne ihre über Jahre aufgebauten Kooperationsstrukturen in einem repressiven Umfeld wie bisher fortführen. Doch ohne Maßnahmen zur Inklusion von sanktionierten Mitgliedern unserer Forschungsgemeinschaft und zur bewussten Förderung von Forschung zu zensierten Themen wird es in Zukunft nicht gehen. Dialog unter Bedingungen der Zensur und Selbstzensur verdient seinen Namen nicht.

Bestehende Partnermodelle müssen einsehbar gemacht werden. Kooperation unter politisch vorausgewählten Themen und Wissenschaftlern und Ausschluss von Regimekritikern entspricht der Politik der KP, ist aber nicht im aufgeklärten deutschen Interesse. Wir brauchen vielmehr Kooperations- und Dialogstrukturen, die Ausschlüsse und Verweigerungen rückgängig machen.

Weder ein chinesischer Partner noch Feldforschung können für Wissenschaftsförderung in Zukunft ausschlaggebend sein. Solche Kriterien würden in Kooperationsprojekten münden, welche zwangsläufig den Vorgaben Pekings entsprechen. Wer und was von der Partei stigmatisiert wird, wäre damit auch in Deutschland vom Zugang zu Ressourcen ausgeschlossen.

Stärker gefördert werden sollten dezentrale und thematisch ausgerichteten Forschungsinstitute, welche chinabezogene Theorie und Praxis zusammenführen. Es wird in Zukunft darum gehen, unterschiedliche akademische und nicht-akademische, theoretische, sprachliche und praktische Chinakompetenz zusammenzubringen, mit chinesischer Beteiligung, aber transparent und inklusiv.

Nadine Godehardt und Björn Alpermann haben im Tagesspiegel vom 8. August 2022 das Schreckensszenario von drohenden „Kooperationsverboten“ an die Wand gemalt. Das Problem hierbei: Weder in der Politik noch in der Wissenschaft werden solche Forderungen gestellt.

Unabgenehme Fragen aushalten

Die universitäre Sinologie und sozialwissenschaftlichen Chinawissenschaften müssen unangenehme Fragen aushalten können, auch zu Kooperationen, die von innen gesehen scheinbar funktionieren: Die aufgebaute Zusammenarbeit ist gerade in diesem Fachbereich langfristig angelegt, aus ihr sind viele Freund- und Partnerschaften entstanden, viel Geld und Zeit wurde investiert.

Der KP ging es immer darum, den Einfluss zu erweitern und mit Personen außerhalb der KP zu kooperieren, indem man „ihre Probleme löst“, so Xi Jinping im Jahr 2015. Den Entstehungszusammenhang und das Ziel dieser Hilfe und Kooperation zu vergessen wäre aber fatal und aus einer sinologischen Sicht schlicht unprofessionell.

Er fügte nämlich an: „Die Freundschaft zu ihnen ist der Freundschaft der Partei mit ihnen untergeordnet … Wir müssen eine große Zahl von treuen Freunden für die Partei schaffen.“

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