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KONTRA Punkt: Lasst über den Euro abstimmen!

Die Südeuropäer brauchen eine Ausstiegsdebatte

Stand:

Über was ist in Italien eigentlich abgestimmt worden? Über die Misswirtschaft der politischen Elite, die Steuerversprechen von Berlusconi, vielleicht auch über Angela Merkel? Zumindest in Deutschland wird das Wahlergebnis als Votum gegen unsere Art des Wirtschaftens interpretiert, ja im Grunde genommen gegen einen harten Euro. Das Problem ist nur: Dazu sind die Italiener gar nicht gefragt worden.

Gerade deshalb wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, um ein Tabu zu brechen: Warum sollten die Bürger in den Südstaaten der EU nicht die Möglichkeit erhalten, über den Verbleib in der Währungsunion, mit allen negativen und positiven Konsequenzen, direkt abzustimmen? Weil das die Finanzmärkte endgültig in Rage versetzen würde, lautet die gängige Antwort. Doch was nützt eine Politik, die sich an den Anforderungen der Finanzmärkte orientiert, wenn diese am Ende beim Wähler ebenfalls krachend durchfällt, wie dies jetzt mit Mario Monti in Italien passiert ist?

Möglicherweise würde sich die Wirtschaft in einzelnen EU-Staaten langfristig besser entwickeln, wenn diese währungstechnisch getrennte Wege gingen. Wie tief die Spaltung der Euro-Zone inzwischen ist, machte kürzlich eine Studie der Investmentbank Morgan Stanley deutlich, die anhand verschiedener Indikatoren ausrechnete, wie ein „fairer“ Wechselkurs für einzelne EU-Staaten aussehen würde. Es kam heraus, dass für die deutsche Volkswirtschaft ein Wert von 1,53 Euro zu einem Dollar als „fair“ betrachtet wird. Für Frankreich kam die Bank auf 1,23 Euro, Italien lag bei 1,19 Euro und Griechenland bei 1,07 Euro. Berücksichtigt wurden als Indikatoren Exportzuwächse, Lohnstückkosten und relative Wachstumsraten.

Zwei Möglichkeiten gibt es, um Wettbewerbsunterschiede auszugleichen: Entweder ein Land wertet seine Währung nach außen ab und macht seine Produkte so auf dem Weltmarkt billiger. Diese Möglichkeit aber ist durch den Euro versperrt. Oder es kommt zu einer internen Abwertung. Diesen Weg geht Italien gerade – und dieser Weg wurde von den Wählern alles andere als goutiert.

Dabei sind Italiens Probleme nicht erst mit der Krise 2008 entstanden. Erst die Krise allerdings hat sie für alle sichtbar gemacht. Sicher – das Land war noch nie so wettbewerbsfähig wie Deutschland, die Lebensart ist vielleicht auch eine andere als hier, doch das Land kam immer irgendwie durch. Noch in den 80er Jahren wurde die Lira regelmäßig abgewertet. Die Italiener hatten damit zwar keine so harte Währung wie die D-Mark, doch der Lebensstandard stieg beständig – nicht so wie jetzt. Italien hatte sich in den 90er Jahren aus freien Stücken für den Euro entschieden, doch gebracht hat er dem Land kaum etwas.

Würde man die Bürger direkt zu einem Euro-Ausstieg befragen, müssten die Konsequenzen offen diskutiert werden – ob das den Finanzmärkten nun passt oder nicht. Tatsächlich könnten die Folgen gravierend sein. Das fängt damit an, dass ein Austritt rechtlich eigentlich nur möglich ist, wenn ein Staat aus der EU als Ganzes austritt. Und es geht mit der Frage weiter, wie man eine Kapitalflucht verhindert. Der britische Ökonom Roger Bootle verfasste im vergangenen Jahr eine „Anleitung zum Euro-Austritt“. Darin empfahl er, die Staatsschulden, Löhne und Preise in eine Währung zu überführen, die mit dem Kurs 1:1 zum Euro gehandelt wird. Danach müsste es langsam zu einer Abwertung kommen – im Falle Griechenlands um 30 bis 50 Prozent.

Profitieren würden davon langfristig wohl die südlichen Länder, weil sie Produkte billiger verkaufen könnten und zum Beispiel der Urlaub bei ihnen günstiger würde. Richtig teuer würde es dagegen wohl für Deutschland: Eine Prognos-Studie rechnete im vergangenen Jahr vor, Deutschland als Volkswirtschaft müsste auf bis zu 1700 Milliarden Euro an Forderungen verzichten, sollten alle Südländer aussteigen. Ist deren Verbleib also doch alternativlos? Zumindest aus deutscher Sicht wohl schon.

Ob aber Italiener und Griechen den Euro in einem Plebiszit tatsächlich aufgeben würde, ist auch alles andere als sicher. Sollten sie für den Euro votieren, dann hätten die Regierungen dort ein sehr viel stärkeres Mandat für ihre Sanierungspolitik. Und das würde dann auch den Finanzmärkten gefallen.

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