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Platzeck.

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Kommentar: Leitbild oder Leidbild?

Warum Platzecks SPD mit ihrem neuen Brandenburg-Leitbild an eigene Grenzen stößt.

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Film ab! So stellen sich die Sozialdemokraten „Brandenburg 2030“ vor, wenn der 77-jährige Regierungschef a.D. Matthias Platzeck in der Uckermark seinen Ruhestand genießt, ein paar Stichworte: Es gibt Großkreise, Großgemeinden. Die im boomenden Speckgürtel zahlen einen Provinz-Soli, damit in aussterbenden Dörfern auf dem weiten Lande das Nötigste finanziert wird. In den Dorfschulen fernab werden die paar Kinder in einem Raum unterrichtet wie einst in Preußen, längeres gemeinsames Lernen in der Mark, während sich überall Windräder drehen und in der Lausitz für die Braunkohle weiter Dörfer abgebaggert werden. Ein Leidbild statt ein Leitbild?

Zunächst, Brandenburgs Umbruch ist jedes Nachdenken Wert. Klar, da ist auch der Eigennutz einer Partei, die ihren Führungsanspruch zementieren will, die der gerade gestarteten Kommunal-Enquete des Parlamentes von Außen den Takt vorzugeben versucht. Und wenn sich Parteien um Leitbilder kümmern, dient das oft dem Innenleben. Die Linken entwickelten mal eins, um der Basis Realismus und Regierungsfähigkeit beizubringen, in der Platzeck-SPD dürfen sich nach der früheren Politik der Hinterzimmer und Königs-Dekrete jetzt die Jüngeren beweisen.

Trotzdem, die Debatte ist überfällig, zumal andere weiter sind, in Mecklenburg-Vorpommern gerade die Kreise gestrafft wurden. Die Schwächen? Trotz sinnvoller Ansätze fehlt es an Anspruch, Ehrgeiz, Mut, an innerer Stringenz. Es gibt zu viele Widersprüche, zu große Rücksichtnahmen auf das aktuelle Regierungsgeschäft. Es verengt den Blick, wenn Selbstbeweihräucherung klare Analyse ersetzt, wenn gar ein Hohelied auf das hiesige Bildungssystem gesungen wird – ein Hohn. Warum muss eine Partei mit ökologischem Anspruch, anno 2011 Chemiekonzernen im Jahr 2030 die Braunkohle als Rohstoff anbieten? Warum will man Groß-Kommunen, drückt sich aber um ein großes Land mit Berlin, während man für den Abbau des von SPD-Regierungen angehäuften Schuldenbergs das „frühe 22. Jahrhundert“ anpeilt?

Und kostenlose Kindertagesstätten, die nebenan in der SPD-regierten Hauptstadt schon heute familienfreundliche Realität sind, die die Bundespartei im Programm will, sind für Brandenburgs SPD nicht einmal für 2030 ein Ziel. Eine Hauptstadtregion? Die Frage drängt sich auf, warum sich selbst die Nach-Platzeck-Generation bisher vorauseilend damit abfindet, wenig Gestaltungsehrgeiz zeigt.

Die Antwort liegt in der Prägung dieser SPD, deren Programm eben schon immer das Regieren ist, die wie die CSU in Bayern en passant einen Wandel durch Anpassung versucht. Die Mark ist konservativ. Und Brandenburgs SPD war immer konservativer, „rechter“ als die Bundespartei, ein Befund übrigens, der auch für die Linken - hier linke Sozialdemokraten - und für die Union gilt, ob unter Jörg Schönbohm oder heute mit der Wertkonservativen Saskia Ludwig. So bleibt Brandenburgs SPD auf Pragmatismus getrimmt, personifiziert in Matthias Platzeck. Für dass Regieren ist das wohl ein Erfolgsrezept. Wenn es um langfristige Ziele, um lange Linien, um ein Leitbild geht, stößt man an Grenzen.

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