Lesermeinung: Antriebslos und gewaltbereit
Zu „Tote Seelen" von Franz Jansen vom 4.8.
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Zu „Tote Seelen" von Franz Jansen vom 4.8.2005: Es ist eigenartig, dass keiner der meist heftigen Leserbriefe zu den Aussagen Schönbohms auf diesen guten Aufsatz eingeht. Darin wird aufgezeigt, dass die Gefahr für Kinder unter sechs Jahren, von den eigenen Eltern getötet zu werden, in Ostdeutschland dreimal höher ist als in Westdeutschland, dass die harte Erziehung in der DDR Hauptursache für die hohe Zahl von ausländerfeindlichen Gewalttaten ist (Pfeiffer). Dazu kommt, dass in Gegenden, in denen die Großlandwirtschaft seit Jahrhunderten bis heute betrieben wird, wie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, die Gefahr, dass Familien beim Jugendamt auffällig werden, doppelt so hoch ist wie in Thüringen, wo das Klein- und Mittelbauerntum vorherrscht (Hildebrand). Eine weitere Tatsache ist, dass Kinder, die ab dem dritten Lebensmonat den ganzen Tag in öffentlichen Betreuungsanstalten unter wechselnden Betreuerinnen und unter harten Bedingungen ihre ersten Lebensjahre verbringen müssen, für ihr ganzes Leben sehr schwere seelische Schäden erleiden. Nicht umsonst ist hier in Brandenburg die Antriebslosigkeit und die Gewaltbereitschaft so weit verbreitet. Dass die Menschen in besorgniserregender Zahl das Land verlassen, zeigt, dass hier grundlegende Dinge falsch laufen. Wohin ziehen sie? In Gegenden, wo die herkömmliche Familie heimisch ist, wo es wenig Kinderbetreuungsplätze gibt, aber gute Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, wo der Mann in der Regel das Geld verdient und die Frau nur dann halbtags arbeitet, wenn die Kinder drei oder vier Jahre alt sind und vormittags den Kindergarten besuchen können. Das alles war schon vor dem von Herrn Schönbohm angestoßenen Streitgespräch bekannt. Es ist ein Glück, dass nun endlich darüber geredet wird und hoffentlich einiges in Gang kommt, damit sich die Lebensverhältnisse hier verbessern. Reinhard Vogeler, Schmergow Jetzt reicht es! Zwei Politiker aus den Führungsgremien der CDU und der CSU haben sich in Vorbereitung auf die Bundestagswahl sehr negativ über die Bewohner der Neuen Bundesländer geäußert. Zuerst wird Verproletarisierung unterstellt und jetzt sind wir auch noch dumm! Wenn das von Politikern, die in Führungspositionen sind, öffentlich geäußert wird, dann sei die Frage erlaubt, ist das etwa in dieser Ebene die wahre Meinung? Eine notwendige Reaktion der CDU-Bundeskanzlerkandidatin habe ich bisher vermisst. Warum, ist ihr Geheimnis. Ich frage mich, was uns Bürger der Neuen Bundesländer nun noch zum Vorwurf gemacht wird? Müssen wir etwa damit rechnen, dass wir eines Tages zum Abschuss freigegeben werden? Nur weil wir aufgrund unserer Erfahrungen die Politik kritisch begleiten? Werner Latzke, Potsdam Zu Schönbohms Fauxpas: Ein kluger Mensch sagte einmal: „Das Vorurteil ist von der Wahrheit weiter entfern als die Unkenntnis." Machen Sie, Herr Schönbohm, Ihren Kopf frei und denken Sie einmal nach. Die Borniertheit Ihrerseits, Stoibers etc, ist unerträglich. Sollten Sie einen Rest Anstand besitzen, so treten Sie nun endlich ab. S. Peschel, Potsdam Die Empörungen über die Äußerungen der beiden Unionspolitiker Schönbohm und Stoiber halten an. Sie sind gerechtfertigt, wenn auch von beiden behauptet wird, sie seien missverstanden worden. Keineswegs ist das so, wenn man das Gesagte nachliest. Selbst aus den eigenen Reihen kommt Kritik. Unverständlich ist die Meinung unseres Ministerpräsidenten. In seinem Regierungsteam hat „jeder einen Fehler frei". Hat Schönbohm nur einen gemacht - so möchte man fragen? Eine ganze Reihe sind bekannt geworden, z. B. die Zustimmung zum Irak-Krieg, zur Vernehmungsfolter, zum Anlegen von Fußfesseln für Schulschwänzer sowie die finanziell missglückte Polizeireform. Die Äußerungen beider Unionspolitiker werden sogar von eigenen Parteifreunden als abwegig eingeschätzt. Die Angst geht um, dass sie das Wahlergebnis negativ beeinflussen werden. Behalten wir Ostler unseren „Frust", bei den kommenden Wahlen aktiv mitzubestimmen, wer uns regieren darf. M. Frankenstein, Kleinmachnow Zu „Die Wertedebatte kommt zu kurz": Ich bin sehr daran interessiert, eine solche Debatte unter Wissenschaftlern, Philosophen, Ökonomen unter Beteiligung breitester Bevölkerungskreise zu führen. Aber bitte, nicht nur über ethische Werte, sondern eine Wertediskussion im umfassenden Sinne, vor allem über die gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse. Denn alle Werte werden letztendlich bestimmt durch die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse - die Praxis erleben wir täglich. Es wäre zu begrüßen, wenn sich durch solch eine breite Debatte etwas zum Positiven für den einfachen Bürger, die Kinder, Familien, die Alten ändert. Christa Klose, Potsdam
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