zum Hauptinhalt
Fans in Casablanca feiern Den WM-Erfolg gegen Spanien.

© REUTERS / ABDELHAK BALHAKI/Reuters

Marokkos WM-Erfolge sind politisch: Booster für den Anspruch als Regionalmacht

Neben Religion ist nun auch Fußball ein neues Instrument der Soft Power Marokkos. Auch Europa wird das wachsende Selbstbewusstsein zu spüren bekommen.

Ein Kommentar von Andrea Nüsse

Fußball ist politisch. Erst recht, wenn die „Atlas-Löwen“, die marokkanische Nationalmannschaft, bei der WM die ehemalige Kolonialmacht Spanien schlagen und nun nicht nur den Maghreb, sondern ganz Afrika und die arabische Welt auf der Weltsportbühne repräsentieren.

Dieser Erfolg wird in vielen Ländern als ein Sieg des globalen Südens gefeiert. In der arabischen Welt kommen Erinnerungen an panarabische Gefühle auf, die mit dem Tod des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser 1970 verschwunden waren.

Vor allem aber ist der Einzug ins Viertelfinale der WM ein Booster für das Selbstbewusstsein und den Anspruch Marokkos, ein Regionalmacht in Westafrika und darüber hinaus zu sein, mit der bitte auch Europa entsprechend respektvoll umgehen möge.

Ehrgeizige Subsahra-Politik wird beflügelt

Seit seinem Amtsantritt 1999 hat der marokkanische König Mohamed VI. erfolgreich auf Soft Power gesetzt: Marokkos Fußballkompetenz im Namen Afrikas ist nun ein willkommenes neues Instrument.

Der Erfolg der marokkanischen Fußballer wird die ambitionierte Subsahara-Politik des Königs beflügeln. Diese beruht auf wirtschaftlicher Macht – Marokko gehört zu den größten Investoren auf dem Kontinent. Marokkanische Banken und Telekommunikationsfirmen und auch die Wirtschaftsunternehmen des Königshauses erschließen sich hier neue Märkte und halten große Marktanteile.

Darüber hinaus setzt König Mohammed VI. gezielt auf Religionsdiplomatie: Seine Rolle als religiöses Oberhaupt und angeblich direkter Nachfahre des Propheten Mohammed nutzt er zur Einflussnahme in Westafrika. Auch die Sufiorden, die in Westafrika Millionen Anhänger haben, insbesondere die Tidjania, deren Begründer im marokkanischen Fez begraben liegt, werden dabei geschickt eingesetzt.

Nun hat Marokko in seinem Konkurrenzkampf mit den bereits abgeschlagenen Maghreb-Staaten Algerien und Tunesien also auch die Fußballdiplomatie auf seiner Haben-Seite.

Marokko wird auch Europa gegenüber noch fordernder auftreten

Deutschland und Europa müssen sich darauf einstellen, dass das gesteigerte Selbstbewusstsein Marokko zukünftig noch fordernder auftreten lässt. „ Marokko hat seinen Komplex als ehemalige Kolonie überwunden“, feiert der Politologe Abdelghani Youmni den sportlichen Erfolg.

Erst Anfang des Jahres hatte Deutschland die Eiszeit mit Rabat beendet, in dem es in der Westsahara-Frage auf Marokko zugegangen ist. Spanien hatte sich gleich völlig der Position Marokkos unterworfen, das die besetzten Gebiete der Westsahara für sich reklamiert, deren Schicksal eigentlich durch ein UN-Referendum geklärt werden soll.

Doch die Siegermannschaft kann auch noch anders Politik machen: Sie hat das Zeug dazu, das komplizierte Verhältnis zwischen Marokkanern und den Millionen Auslandsmarokkanern zu verbessern: In der Mannschaft sind 14 von 26 Spielern im Ausland geboren und leben teilweise dort.

Im Vorfeld hatte es Debatten gegeben, ob Marokko nur durch im Land geborene Sportler anständig repräsentiert werden könne. Jetzt werden alle gefeiert - als Marokkaner und Afrikaner.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false