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Alle Hoffnungen ruhen auf seinen Schultern. Alle? Na ja, nicht ganz.

© dpa

Gabriel und die Energiewende: Obacht vor dem Zitronenhändler!

Sigmar Gabriel hat derzeit einen guten Lauf. Das gefällt Unionspolitikern besser als manchem Skeptiker in der SPD. Denn ihre Partei wollen sie ihm nicht ganz überlassen.

Von Hans Monath

Sigmar Gabriel war schon viel in seinem Leben. Ministerpräsident, Pop-Beauftragter der SPD und Bundesumweltminister. Aber Zitronenhändler? In seiner starken Rede zur Energiewende hat der Wirtschaftsminister am Donnerstag im Bundestag die Fallhöhe seines Anspruchs deutlich gemacht: Wenn die Kostendynamik der erneuerbaren Energien nicht drastisch durchbrochen werde, „haben wir mit Zitronen gehandelt“, sagte er. Statt die Lösung für eine Jahrhundertaufgabe zu präsentieren, stünde der Bändiger der Energiewende dann als Versager da.

Es ist ein Risiko, das weit weg scheint angesichts der gegenwärtigen Stärke des Vizekanzlers. Die SPD-Kabinettsmitglieder bestimmen mit ihren Themen die Schlagzeilen. Beim Superminister für Wirtschaft und Energie laufen die Kraftlinien zusammen, sein Apparat ist gut organisiert. Die Union hofiert ihn. Das wirkt noch immer wie ein politisches Wunder bei einem Wahlergebnis von gerade 25,7 Prozent, das aber mittlerweile fast schon so lange her zu sein scheint wie der Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren.

Auch als Parteichef glänzt Gabriel spätestens seit dem Mitgliedervotum zur großen Koalition. Er ist erfolgreich, aber nicht unumstritten. Das Misstrauen gegenüber seiner Person sitzt tief. Gabriel weiß: Es gibt in seiner Partei starke Skeptiker, die unbedingt verhindern wollen, dass sich der Vorsitzende schon jetzt die Kanzlerkandidatur für 2017 sichert. Hannelore Kraft und Olaf Scholz versuchen die Entscheidung so lange wie möglich offen zu halten.

Unter anderem deshalb durfte der Parteilinke Ralf Stegner, den der Vorsitzende schätzt, sich nicht als Generalsekretär etablieren und damit im Willy-Brandt-Haus für klare Verhältnisse sorgen. Klare Verhältnisse, die manche als eine Gabriel-Alleinherrschaft fürchteten. Es muss um viel gehen, wenn Gabriels stille Kritiker lieber das Risiko in Kauf nehmen, dass mit Yasmin Fahimi nun eine vergleichsweise unerfahrene Kandidatin das Amt führt, deren politisches Profil auch mit ihrer Antrittsrede beim Parteitag in Berlin am Sonntag nicht viel klarer geworden ist.

Genau in dieser Situation hat Gabriel nun in der Parteizeitung „Vorwärts“ einen Mitgliederentscheid über den nächsten Kanzlerkandidaten versprochen. Das Basisvotum zur großen Koalition hatte der Partei einen solchen Schub und so viel Selbstbewusstsein gegeben, dass es keinen Rückfall hinter diese Kultur der Beteiligung mehr geben kann. Die Basisentscheidung über die wichtigste anstehende politische Frage ist ein Mobilisierungsinstrument, das politische Konkurrenten neidisch gemacht hat.

Dass die einfachen SPD-Mitglieder näher an der Stimmung der Bevölkerung sind als der Funktionärsapparat der Partei, davon war der Vorsitzende immer überzeugt. Manche Ideen für eine noch stärkere Öffnung, etwa Kandidatenwahlen durch Nicht-Mitglieder, konnte er aber nicht durchsetzen.

In dem Hinweis auf den Mitgliederentscheid steckt auch eine Provokation für die Kritiker des Vorsitzenden, die ihm die Partei bis 2017 nicht allein überlassen wollen. Dann traut euch doch und kandidiert gegen mich, heißt die Botschaft. Aber gelingen muss sie bis dahin schon, die Energiewende.

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