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Merkel kann unterscheiden zwischen dem, was ihr Amt erfordert, und dem, was Freundschaft gebietet. Und so gab es nur eine Möglichkeit: Ein Rücktritt von Annette Schavan.

© dpa

Schavans Rücktritt: Personalpolitik geht vor Freundschaft

Zwei Freundinnen gehen getrennte Wege, jedenfalls was ihre berufliche Laufbahn betrifft. Personalpolitik, dazu angelegt, Kanzlerin Merkel auf dem Weg zur Bundestagswahl im September - und dem Amt - nicht zu schaden.

Es ist ein Lehrbeispiel für Angela Merkels Art, Politik zu verstehen und Politik zu machen, und dazu zählt eben auch: Personalpolitik. Was andere vor ihr nicht oder schlecht konnten, abzuwägen und nach Beurteilung aller Aspekte zu entscheiden, das ist ihr eigen, vom Naturell her, von der Ausbildung her. Da kommt es ihr manchmal schon sehr zupass, dass sie Naturwissenschaftlerin ist; dass sie Kräfte, die wirken, zu bemessen weiß. In Annette Schavan hat sie, wenn auch auf andere Art, eine Geistesverwandte gefunden. So gescheit wie politisch erfahren wusste die, dass es nicht weitergeht in dem, was sie in Freud’scher Offenheit „mein Amt“ nannte, im Bundesbildungs- und Forschungsministerium. Ihr Rücktritt war darum logisch.

Die Art ihres Rücktritts sagt auch wieder viel aus über beide, Merkel und Schavan. Die beiden sind befreundet, im Sinne von Freundschaft, nicht im Sinne von Parteifreundschaft. Das machte Merkel klar, schnörkellos, ohne übertriebenes Pathos, was nebenbei auch ihre von manchen Parteifreunden bezweifelte politisch-persönliche Bindungsfähigkeit bezeugt; und das machte Schavan deutlich mit der vertraulichen Anrede Merkels, was wiederum über ihre politische Versiertheit Auskunft gibt.

Schavans Botschaft ist klar und klingt nach: Seht her, hier stehe ich, ich kämpfe – und bin weiß Gott nicht allein. Dieses Amt hat Annette Schavan vieles, wenn nicht alles bedeutet. Und bestimmt hat sie gehofft, bis zuletzt, also bis zur Aberkennung des Doktortitels, im Amt bleiben zu können. Dafür gab und gibt es auch Fürsprecher, gewichtige, in Wissenschaft und Politik; außerdem sprachen ihre Leistungen für sie.

Aber jetzt war es dennoch so: Sie konnte, mit jedem Tag länger, den sie gezögert hätte, Merkel auf dem Weg zur Bundestagswahl im September nur mehr schaden, nicht mehr nutzen. Und da greift dann diese – vermeintlich – kühle Professionalität.

Schavans Wunde liegt offen zutage. Aber Merkel hat das getan, was sie für sie tun konnte.

Vermeintlich deshalb, weil man es auch anders ausdrücken kann: Merkel kann unterscheiden zwischen dem, was ihr Amt erfordert, und dem, was Freundschaft gebietet. Das Amt erforderte eine rasche, konzise Entscheidung, die Freundschaft gebot freundliche Worte. Beides hat sie, unter Mittun Schavans, geleistet. Das macht Merkel in diesem Fall unangreifbar, denn keiner hätte es besser machen können. Nur Schavan, vielleicht, wenn sie schon früher ihre eigenen Worte ernst genommen hätte, dass es gelte, Schaden abzuwenden von Amt, Regierung, Partei, Personen. Als Person mit ausgeprägtem Gewissen wird sie sich in der Rückschau selbst die Frage vorlegen, ob das Amt, ihr Amt, in den vergangenen Monaten, mindestens Wochen, nicht doch Schaden genommen hat.

Und nun Johanna Wanka. Eine Professorin, eine Ostdeutsche, eine Mathematikerin, eine Bildungs- und Forschungspolitikerin mit Erfahrung. Unabhängig von Schavan passt sie in die Regierung und zu Merkel. Die Bundeskanzlerin hat regierungstechnisch wie parteipolitisch abgewogen entschieden. Wanka war zuletzt, als erste Ostdeutsche, in einem westdeutschen Flächenland Ressortchefin, in Niedersachsen. So heilt sie deren Wunden ein wenig. Schavans Wunde liegt offen zutage. Aber Merkel hat das getan, was sie für sie tun konnte. Und für sich. Wenn Freundschaft über den Tag hinaus gilt, wie Annette Schavan sagte, dann gilt das auch mit Blick auf Angela Merkels nächsten Wahltag.

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