zum Hauptinhalt

© picture alliance/dpa

Nach Debatte um Pfingstgruß in Berlin: Was Bahar Aslan und Kai Wegner eint

Auf Twitter musste sich Berlins Regierender Kai Wegner einem Shitstorm wegen seiner Pfingstgrüße stellen. Was absurd klingt, hat teils ernste Folgen. Das zeigt der Fall der Lehrerin Bahar Aslan.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Wer nicht auf Twitter unterwegs ist, hat hoffentlich gar nichts davon mitbekommen: Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) musste sich am Pfingstwochenende mit einem handfesten Shitstorm auseinandersetzen. Dessen Inhalt konnte banaler nicht sein: Es ging um einen von der Senatskanzlei ausgesandten Pfingstgruß.

Wegner hatte darin Christen ein gesegnetes Fest gewünscht – so wie er es auch bei Muslimen zum Zuckerfest getan hatte – und „uns allen und unseren Gästen“ erholsame Tage. Daraus strickten ihm zuerst Bezirkspolitiker von Linken und Grünen die Aussage, dass er alle nicht-christlichen Berliner nur als Gäste in Deutschland begreife. Weder ist das aus Wegners Pfingstgruß („uns allen“) rauslesbar noch ist hinreichend wahrscheinlich, dass Wegner die 74 Prozent der Berliner ohne christlichen Hintergrund nur als Gäste der Stadt sieht.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

War das nicht der mit dem Pfingsttweet? Irgendwas bleibt immer hängen

Lächerlich, absurd, an den Haaren herbeigezogen. Nennen Sie’s, wie Sie wollen. Warum behellige ich Sie also damit, fragen Sie? Weil diese „Debatte“ dann doch etwas über die Funktionsweise der empörungszentrierten Debattenunkultur unserer Zeit sagt. Erst griffen die absurde Lesart andere Journalisten auf, dann Medien deutschlandweit. Am Ende ist das Ziel der Nutznießer der Empörung erreicht: Bleibt nicht doch letztlich etwas hängen? War das nicht der Wegner mit dem Pfingsttweet...?

Für das Miteinander sind solche auf Verzerrungen basierenden Debatten schädlich. Der Regierende Bürgermeister, mögen Sie einwenden, kann das ab. Andere aber nicht, das zeigt etwa der Fall von Bahar Aslan.

Die auf Twitter sehr aktive Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen wurde kürzlich ebenfalls das Opfer eines orchestrierten Shitstorms, diesmal von konservativer Seite. Aslan hatte rechtsradikale Polizisten als „braunen Dreck“ bezeichnet, vor dem sie als Migrantin Angst habe.

Diese in der Wortwahl harte, aber auch sehr persönliche und nicht auf die ganze Polizei bezogenen Aussage wurde auf Twitter dahingehend verdreht, dass die Lehrerin die gesamte Polizei als braunen Dreck bezeichnet hätte. Das führte dazu, dass ihr ein Lehrauftrag entzogen wurde und ihr Arbeitgeber nun die Lehrbefähigung prüft. Andere forderten unverhohlen ihren Rauswurf.

Das übrigens ist dann auch (auf falschen Tatsachen beruhende) Cancel Culture in Reinform – vielleicht gibt die ähnliche Funktionsweise im Fall Wegner auch Konservativen zu denken.

Denn beide Fälle, so unterschiedlich sie sein mögen, haben das bewusste Kreieren von Empörung auf (mindestens) verzerrter Faktengrundlage gemein, den orchestrierten Shitstorm, der unerbittlich über die Betroffenen hinwegfegt. Im schlechtesten Fall haben diese Debatten reale Konsequenzen, wie im Fall Aslan. Im besten Fall sind sie nach wenigen Tagen vergessen.

Aber selbst dann bleibt eine zunehmende Unsicherheit, sich öffentlich zu äußern, weil einem das Wort im Mund verdreht wird, weil aus dem Kontext gerissene Wort-Schnipsel zum Skandal aufgebauscht werden. Also, bleiben Sie zugewandt – es kann jeden mal treffen. Das gilt ganz sicher nicht nur für Twitter.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false