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Der Ständige Ausschuss des Politbüros ist nun eine völlig auf Xi abgerichtete Führungsriege. Besonders vielsagend ist, dass der langjährige Xi-Loyalist Li Qiang (ganz rechts) zur Nummer zwei aufstieg.

© Reuters/Tingshu Wang

Xi Jinping und seine Ja-Sager: Die Illusion eines reformoffenen China ist endgültig vorbei

Pekings neuer Machtzirkel besteht nur aus Getreuen des Diktators. Dass Olaf Scholz ihm mit dem Hamburger Hafen-Deal die Krönung versüßt, ist verheerend. Doch noch ist Zeit.

Ein Kommentar von Cornelius Dieckmann

Es war eine Woche ganz nach Xi Jinpings Geschmack. Dass Chinas Partei- und Staatschef auf dem 20. KP-Kongress eine dritte Amtszeit erhalten würde, war klar. Er herrscht nun bis 2027, sehr wahrscheinlich länger. Bei der Neubesetzung des Ständigen Ausschusses des Politbüros, dem Innersten des Parteistaats, wurde kein Nachfolger präsentiert. Stattdessen: eine völlig auf Xi abgerichtete Führungsriege, die in den Hauptstädten der demokratischen Welt die Alarmglocken schrillen lassen sollte.

Am Entscheidertisch sitzen nun keine parteiinternen Fraktionen mehr, sondern ein großer Xi und sechs kleine. Den Flügel der Kommunistischen Jugendliga hat er weiter gestutzt. Die Fernsehaufnahmen vom grau-greisen Hu Jintao, Xis Vorgänger bis 2012, der am Samstag gegen seinen Willen aus der Großen Halle des Volkes geführt wurde, stehen sinnbildlich für das Ende kollektiver Führung – und der westlichen Illusion, in Peking bestehe noch eine Restchance auf Reform.

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Besonders vielsagend ist die Personalie Li Qiang, Chinas neue Nummer zwei. Der Parteisekretär von Schanghai ist ein langjähriger Getreuer Xis, der selbst einst den Karriereweg über die Küstenmetropole ging. Li war es, der die 26-Millionen-Stadt kürzlich unter einen desaströsen Zero-Covid-Lockdown stellte, der die Bevölkerung hungern ließ. Im Frühjahr 2023 dürfte er das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen, dessen Hauptauftrag die Wirtschaft ist. Und dort lautet die Methode Xi: Investitionen in aller Welt zwecks geopolitischer Erpressung.

Deutschland muss Taiwan schützen – das geht nicht mit Wirtschaftseinladungen nach Peking

Deshalb ist es so verheerend, dass ausgerechnet Deutschland Xi die Krönungswoche versüßt hat. Kanzler Olaf Scholz will erlauben, dass sich der chinesische Staatskonzern Cosco an einem Hamburger Hafenterminal einkauft. Dass alle sechs relevanten Bundesministerien dagegen sind und Sicherheitsbehörden sowie EU-Kommission eindringlich warnen, scheint den früheren Hamburger Bürgermeister nicht zu stören.

Sollte Scholz sich durchsetzen – bis Monatsende kann das Kabinett die Entscheidung zumindest vertagen – wäre das nichts weniger als ein freundlicher Handschlag mit einer imperialistischen Diktatur. Man muss kein Parteichinesisch können, um zu sehen, dass politische Ziele in Xis Ideologie die alte Ratio wechselseitigen Wohlstands übertrumpfen: Auf dem Parteitag hat die KP sich erstmals einen Passus gegen die Unabhängigkeit Taiwans in ihre Verfassung geschrieben.

Ein militärischer Überfall auf den Inselstaat ist mittelfristig ein realistisches Szenario. Dass am Sonntag die zweite Bundestagsdelegation binnen weniger Wochen in Taipeh gelandet ist, ist vorbildhaft – es ist in Deutschlands moralischem wie wirtschaftlichem Interesse, Taiwan mit allen friedlichen Mitteln zu schützen.

Olaf Scholz empfängt 2017 Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Hamburg – damals noch als Erster Bürgermeister der Hansestadt.
Olaf Scholz empfängt 2017 Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Hamburg – damals noch als Erster Bürgermeister der Hansestadt.

© imago/Xinhua

Doch schon jetzt gibt es Zweifel, ob eine Bundesrepublik, die sich in leichtfertige Abhängigkeit von China begeben hat, im Fall eines Angriffs effektive Sanktionen gegen Xis Regime verhängen könnte.

In dieser Gemengelage will Scholz am 4. November mit einer Wirtschaftsdelegation nach Peking fliegen. Der Zeitpunkt so kurz nach Xis Triumph-Parteitag ist suboptimal. Aber Scholz könnte ihn zu seinen Gunsten wenden, indem er ohne das Hafen-Geschenk anreist und so den Eindruck vermeidet, dass Berlin nach Pekings Pfeife tanzt.

Ermutigend ist, dass sich im Mittelstand der deutschen Wirtschaft derzeit eine neue China-Skepsis regt. Selbst manche Dax-Unternehmen sind ungewohnt zögerlich, was die Teilnahme an der umstrittenen Kanzler-Reise angeht. Die größten Firmen wie BASF, VW und Siemens aber halten mit alter Beratungsresistenz an ihrem China-Geschäft fest.

Für Scholz ist es noch nicht zu spät, der erste deutsche Regierungschef mit einer realistischen China-Politik in diesem Jahrhundert zu werden. Jüngst hat er erklärt, er habe „immer schon gewusst“, dass Russlands Präsident Putin Deutschland mit Gas erpressen würde. Wenn das so ist, müsste ihm klar sein, wie Xi und dessen neues Ja-Sager-Kabinett ticken.

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