Meinung: Zum Schießen
Die Bundesregierung will Tornados in Afghanistan einsetzen, die dort knipsen sollen
Es war einmal ein guter Krieg. Die Gründe, ihn zu führen, leuchteten ein, es gab ein UN-Mandat, ein Nato-Mandat, selbst eine rot-grüne Bundesregierung machte unerschrocken mit. Dem Krieg vorausgegangen waren die Anschläge vom 11. September 2001, verübt von jener Al-Qaida- Terrorgruppe, die ihre „heiligen Krieger“ ungehindert in Afghanistan ausbildete, geduldet von Gesinnungsgenossen der radikalislamischen Taliban. Deutschlands Sicherheit, sagte damals ein SPD-Verteidigungsminister zum Einsatz der Bundeswehr, werde künftig auch am Hindukusch verteidigt.
Heute sieht das Bild anders aus. Die Taliban wurden vertrieben, doch der Krieg ist nicht gewonnen. Vielleicht lässt er sich gar nicht gewinnen. Die Zahl der Selbstmordanschläge hat sich im Jahr 2006 im Vergleich zum Vorjahr verfünffacht. Die 2400 Kilometer lange Grenze ins Rückzugsgebiet Pakistan ist löchrig. Die Taliban kehren zurück, verstärkt durch Terroristen aus dem Irak. Sie finanzieren sich durch den Handel mit Opium. Die Rauschgiftindustrie macht inzwischen mehr als ein Drittel der afghanischen Wirtschaft aus. Das Land irakisiert sich, mit einem Unterschied: Noch richtet sich die Gewalt vornehmlich gegen die Besatzer, nicht gegen das eigene Volk.
Vor diesem Hintergrund will das deutsche Kabinett am heutigen Mittwoch den Einsatz von sechs bis acht Tornado-Aufklärungsflugzeugen beschließen. Mit haarspalterischer Logik heißt es, diese Flüge seien keine Kampfeinsätze, sondern dienten allein der Informationsbeschaffung. Also: Wir zielen nur, andere schießen. Die deutsche Hand hält das Gewehr, der amerikanische Finger drückt ab. Damit wird jene Nachkriegstradition fortgeschrieben, derzufolge wir zwar bereit sind, internationale Verantwortung zu übernehmen, aber um Gottes willen nicht aktiv, sondern eher platonisch. Und selbst das findet keine Zustimmung mehr. Drei Viertel der Deutschen lehnen die Tornados ab.
Die Entwicklung ist dramatisch: Immer tiefer wird in Afghanistan die Kluft zwischen dem militärisch Notwendigen und dem politisch Machbaren. Schon jetzt sind die rund 34 000 Nato-Soldaten viel zu wenig. Doch mit Ausnahme der USA und Großbritannien ist kaum eines der übrigen 24 Allianz-Mitglieder bereit, sich nennenswert stärker zu engagieren. Der Wille schwächelt, der Glaube an ein gutes Ende schwindet, das Debakel im Irak wirkt zusätzlich abschreckend. Warum, so fragen viele immer banger, soll rund um Kabul funktionieren, was rund um Bagdad, trotz vierfacher Soldatenpräsenz, schnurstracks in die Katastrophe geführt hat?
Und vielleicht, auch diese Ahnung drängt sich zunehmend auf, haben weder Afghanistan- noch Irakkrieg den islamistischen Terror wirklich geschwächt. Vielleicht war selbst der gute, plausible, vom Völkerrecht abgesegnete Krieg nur eine verzweifelte westliche Demonstrationsgeste. Mindestens ein Jahrzehnt lang, schätzt man bei der Nato in Brüssel, werden die Truppen in Afghanistan stationiert bleiben müssen. Eine verdammt lange Zeit.