
© Markus Lücker
Podcast „Gyncast“: „Jeder Tag, an dem man Vulva sagt, ist ein guter Tag“
Die Gynäkologie ist hochpolitisch und voller Missverständnisse. Chefärztin Mandy Mangler erklärt, warum der Penis eigentlich eine kleinere Klitoris ist und das Jungfernhäutchen ein Mythos.
- Hilda Lücker
- Esther Kogelboom
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Wie geht es Frauen in der Medizin im Jahr 2024? Noch bis in die Neunzigerjahre kamen Frauen fast gar nicht in der Forschung zu Medikamenten vor. Stattdessen seien Mittel fast ausschließlich an Männern und männlichen Versuchstieren ausprobiert worden. So beschreibt die Situation Prof. Dr. Mandy Mangler, Berliner Chefärztin und Host des Gyncasts, des Gynäkologie-Podcasts vom Tagesspiegel. Zwar hätten sich die Testverfahren mittlerweile gebessert, trotzdem würden Frauen auch heute noch oft vernachlässigt oder schlicht für nicht klug genug gehalten, um ihre eigenen Körper zu verstehen.
Anlass für das Gespräch ist das „House of Podcast“-Festival des RBB. Dort nennt Mangler das Beispiel der Klitoris: Auf den standardisierten Infobögen, die Frauen vor Operationen am Unterleib gezeigt werden, sei die Klitoris bis vor zwei Jahren noch als „kleines Knöpfchen“ und nicht in ihrer gesamten Größe abgebildet gewesen. Neben anderen habe damals auch Mangler Druck gemacht, die Darstellung an den aktuellen Forschungsstand anzupassen und das Organ in seiner vollen Größe abzubilden.
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Während der für die Infobögen verantwortliche Verlag Offenheit zeigte, hätten sich damals verschiedene Gynäkologinnen und Gynäkologen gegen Änderungen gesperrt. „Ein Argument war, das ist zu kompliziert für die Frauen“, erklärt Mangler im Podcast. Mittlerweile sind die Darstellungen überarbeitet und zeigen die Klitoris in voller Größe mit ihren inneren Schwellkörpern.
Was Penis und Klitoris gemeinsam haben
Die Klitoris zeigt für Mangler, wie viele Missverständnisse es zur Gynäkologie gibt. „Wir als Gesellschaft denken immer, Penis und Vagina bilden ein Paar“, beklagt die Chefärztin. „Aber die Wahrheit ist, anatomisch sind Penis und Klitoris das Äquivalent als Organe.“ Beides entstünde beim Embryo aus exakt den gleichen Bausteinen, beides habe Schwellkörper, eine Vorhaut, eine Eichel. „Es ist komplett identisch. Auch die Größe ist identisch. Also eine durchschnittliche Klitoris ist sogar einen Tick größer als ein durchschnittlicher Penis“, sagt Mangler.
Ein anderes Missverständnis, das Mangler sieht, dreht sich um das Hymen – auch Jungfernhäutchen genannt. Oft kursiere hierzu das Bild von einer dünnen Haut, welche Vagina verschließt. Mangler stellt klar: Das Jungfernhäutchen ist „ein gesellschaftliches Konstrukt, das anatomisch nicht haltbar ist.“ Trotzdem habe das Konzept vom gerissenen oder nicht-gerissenen Hymen Einfluss darauf, wie Frauen im Krankenhaus behandelt würden. „Eine Person, die noch nie vaginal penetrativen Geschlechtsverkehr hatte, wird gynäkologisch nicht vaginal untersucht, obwohl sie das vielleicht braucht“, erklärt Mangler.
Familienplanung neben dem Berufsleben
Ein Punkt, der Mangler aus Sicht als Medizinerin wichtig ist, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Im Gespräch erinnert sich die Chefärztin daran, wie sie sich zu Beginn ihrer Karriere durch abendliche Konferenzen mit anderen Führungskräften zwingen musste. Mangler hatte damals schon mehrere kleinere Kinder. Während sie unter Zeitdruck stand und ihre Kinder versorgen musste, legten die Männer in den Konferenzrunden ein gemütliches Tempo vor.
„Das war ein bisschen wie eine Selbsthilfegruppe“, beschreibt Mangler die damaligen Sitzungen. „Alles Chefärzte, die fertig von ihrem Tag waren, ganz entschleunigt da saßen, sich dann noch ein Brötchen genommen haben und sich dachten: ‚Hach, sprechen wir mal darüber, wie der Tag war.’“ Die Medizinerin habe derweil vor allem einen Gedanken gehabt, sagt sie: „Ich muss hier weg, ich muss noch das und das und das machen und hab keine Zeit, mir das anzuhören.“
Genau einen Tag nach Ende ihrer Probezeit habe Mangler das Team vor die Entscheidung gestellt: Entweder die Konferenz werde auf eine Uhrzeit verlegt, wenn Kinder bereits im Bett liegen oder sie könne in Zukunft nicht mehr an den Treffen teilnehmen.
In der aktuellen Podcast-Folge des Gyncasts spricht die Chefärztin darüber, warum sie sich trotzdem zu ihrer Arbeit berufen fühlt, wo sich das Gesundheitssystem auch gebessert hat und warum Frauen ihre Gynäkologen und Gynäkologinnen korrigieren sollten, wenn diese unmedizinische Begriffe wie Scheide verwenden. Denn, so sagt Mangler: „Jeder Tag, an dem man Vulva sagt, ist ein guter Tag.“
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