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Ein in eine israelische Flagge gehüllter Mann legt an der Synagoge Blumen nieder.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Internationale Pressestimmen zu Halle: „Die Täter sind weiße Männer voller Feindseligkeit und Frustration“

Nicht nur in Europa ist man schockiert über das rechtsextremistische Attentat in Halle (Saale). Eine Auswahl internationaler Pressestimmen.

Die israelische Zeitung „Haaretz“ kommentiert die Schüsse auf eine Synagoge in Halle an der Saale wie folgt: „Die Schüsse auf die Synagoge in Ostdeutschland waren nicht nur ein antisemitischer Angriff. Es war auch ein Angriff auf Einwanderung (...). Das Hauptziel des Angreifers in Halle waren Juden in einer Synagoge an Jom Kippur. (...)

Und wie wir am Mittwoch in Halle gesehen haben, rettet die erhöhte Sicherheit an den Synagogen Leben. Als der Angreifer mit den Waffen, die er zur Hand hatte, die gesicherte Tür der Synagoge nicht durchbrechen konnte, musste er weglaufen und andere töten, nicht Mitglieder der jüdischen Gemeinde. (...)

Es handelt sich hierbei nicht um organisierte oder zum Teil organisierte Netzwerke. Sondern um eine Ideologie. (...) Die Erklärung des Angreifers in Halle ist fast identisch mit der des Angreifers, der vor fast einem Jahr in einer Synagoge in Pittsburgh 11 Juden ermordete oder des Täters von Christchurch, Neuseeland, der bei einem Massaker in einer Moschee im März 51 Muslime beim Gebet tötete.

Es handelt sich um eine globale, rassistische White-Supremacy-Ideologie (Vorherrschaft von Weißen), die liberale Offenheit gegenüber Einwanderern, gegenüber Frauen- und Schwulenrechten sowie Toleranz gegenüber Minderheiten als Bedrohung für die weiße Rasse sieht. (...)

Um einen neonazistischen Angriff durchzuführen, ist keine Terrorinfrastruktur erforderlich. Die Täter sind einheimische weiße Männer voller Feindseligkeit und Frustration, angestachelt nicht nur von rechtsextremen Internetseiten und Literatur, sondern auch von angeblichen Mainstream-Politikern, allen voran Präsident Donald Trump.“

Die „New York Times“ bewertet die Tat so: „Ein schwer bewaffneter Schütze mit einer Live-Stream-Helmkamera versuchte am Mittwoch, eine Synagoge in Ostdeutschland zu stürmen, während Gläubige den heiligsten Tag im Judentum begingen. Abgehalten von einer verschlossenen Tür tötete er draußen zwei Menschen und verwundete zwei weitere in einem antisemitischen Amoklauf, der den Beigeschmack von rechtsextremen Terrorismus hatte. Stunden später verkündete die Polizei die Festnahme eines Verdächtigen in dem Fall der Stadt Halle - aus einer ganzen Reihe von Angriffen auf Juden in Deutschland in jüngster Zeit war dieser einer der schamlosesten. (...)

In den vergangenen Wochen hat es in Deutschland, wo Antisemitismus ein besonders sensibles Erbe der NS-Zeit ist, eine Reihe kleinerer Angriffe auf Juden gegeben. Herr Seehofer hat in diesem Jahr den sprunghaften Anstieg antisemitischer Angriffe verurteilt. Sie reichen von Vandalismus bis hin zu Angriffen auf Menschen, die sichtbare Symbole ihres Glaubens trugen.“

Die italienische Zeitung „La Repubblica“ schreibt: „Er stand einen Schritt davor, die europäische Geschichte durcheinander zu wirbeln. Nur eine gepanzerte Tür hat Stephan B. daran gehindert, das jüdische Fest Jom Kippur in Blut zu tauchen und die dramatischste Wunde der deutschen Identität wieder zu öffnen.

Auch wenn es sein Hauptziel verfehlt hat, bedeutet das gestrige Attentat auf die Synagoge von Halle ein Signal, das nicht länger ignoriert werden kann: Das Feuer der Intoleranz ist zurückgekehrt, um in unseren Ländern mit einer nie zuvor gesehenen Gewalt zu brennen. Das von Halle ist kein Einzelfall.

Und man kann es nicht auf eine Episode des Wahnsinns reduzieren. Wir stehen stattdessen vor der schwersten Bedrohung unserer Demokratien: Im Gegensatz zum islamischen Terrorismus kommt sie nicht aus äußeren Welten. Sie ist die Frucht von etwas, das im Tiefen der europäischen Gesellschaft lebt und das rasch die Antikörper abtötet, die sich nach dem Blutbad des Zweiten Weltkriegs entwickelt haben.“

Die schwedische Zeitung „Dagens Nyheter“ meint: „Der (Juden-)Hass zeigt sich auch in mehreren schwedischen Städten. (...) Der Terror funktioniert. Ein großer Teil der Juden Europas erwägt auszuwandern, wie eine EU-Studie unter 16.000 europäischen Juden zeigt. 89 Prozent spüren, dass der Antisemitismus in den vergangenen fünf Jahren gewachsen ist. (...) Minderheiten zu schützen ist eine zentrale Aufgabe einer Demokratie. Ministerpräsident Stefan Löfven und andere Parteiführer sorgen sich wegen der Verletzbarkeit der europäischen Juden. Die Frage ist, was sie tun können in einer Situation, in der die Juden gezwungen sind , ihre höchsten Feiertage hinter schusssicherem Glas und Panzersperren zu feiern.“ (dpa, lem)

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