
© dpa/Michael Kappeler
100 Milliarden Euro für den Klimaschutz: Union, SPD und Grüne haben sich auf Finanzpaket geeinigt
Schwarz, Rot und Grün haben sich auf einen Kompromiss verständigt. Investitionen in die Infrastruktur sollen der Zusätzlichkeit unterliegen und dazu 100 Milliarden in den Klimafonds fließen.
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Nach den zwischenzeitlich festgefahrenen Gesprächen über das geplante milliardenschwere Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur und nächtlichen Verhandlungen haben sich Union, SPD und Grüne erfolgreich auf einen Kompromiss geeinigt. Das teilte der wahrscheinlich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz am Freitag in Berlin vor der Presse mit.
Zuvor berichteten der Tagesspiegel sowie zuerst das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) unter Berufung auf Verhandlungskreise über die Einigung.
„Ich bin sowohl in der Sache als auch mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, sagte Merz im Anschluss auf einer Pressekonferenz in Berlin. Die Unionsfraktion habe den Vorschlägen am Freitag einstimmig zugestimmt, nachdem die Spitzen von Union, SPD und Grünen viele Stunden und Tagen in Gesprächen miteinander verbracht hätten. „Das waren anspruchsvolle Diskussionen, aber sie waren im Ton und Umgang gut sowie vertraulich“, berichtete Merz.
Diese 100 Milliarden Euro werden einen Unterschied machen.
Katharina Dröge, Co-Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen
Auf folgende drei Säulen haben sich Schwarz, Rot und Grün dem CDU-Parteivorsitzenden zufolge geeinigt:
- Mehr Mittel für die Verteidigung: Neben Ausgaben für die Verteidigung sollen auch solche für den Zivil- und Bevölkerungsschutz, die Nachrichtendienste, die Sicherheit in der Informationstechnik sowie Unterstützungshilfen für völkerrechtlich angegriffene Staaten von der Schuldenbremse ausgenommen werden, wenn sie ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen.
- Zusätzlicher Spielraum für die Länder: Wie schon im Sondierungspapier haben sich Union und SPD nun auch mit den Grünen darauf geeinigt, den Ländern ein strukturelles Defizit von 0,35 Prozent zu ermöglichen. Bisher müssen die Bundesländer ihre Haushalte voll ausgleichen, dürfen also keine Schulden machen. Für alle Länder zusammen wären das aktuell 16 Milliarden Euro. „Das wird nach einem bestimmten Schlüssel auf die Länder aufgeteilt“, kündigte Friedrich Merz an. Aus dem Infrastruktur-Sondervermögen sollen die Bundesländer zudem 100 Milliarden erhalten.
- Sondervermögen Infrastruktur: Es bleibt bei einem 500 Milliarden Euro starken Sondervermögen für die Infrastruktur. Allerdings sollen nun alle Investitionen der Zusätzlichkeit unterliegen und auf die Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 einzahlen. Darauf hatten vor allem die Grünen gedrungen, weil sie fürchteten, dass Union und SPD sonst schon laufende Projekte oder konsumtive Staatsausgaben darüber finanziert hätten. Zusätzlich sind sie dann, wenn sie 10 Prozent des Bundeshaushaltes für Investitionen überschreiten. Aktuell wären das 50 Milliarden Euro: Alle Investitionen, die darüber hinausgehen, können über einen Zeitraum von 12 Jahren über das Sondervermögen finanziert werden. Der Klima- und Transformationsfonds (KTF) soll mit 100 Milliarden Euro ausgestattet werden. Er wird im Grundgesetz nur als Zuwendungsempfänger genannt. In der Sondersitzung des Bundestages am Vortag hatte Friedrich Merz den Grünen noch 50 Milliarden dafür in Aussicht gestellt.
SPD mit Lob für die Grünen – Dröge gibt sich sehr zufrieden
Auch Lars Klingbeil zeigte sich mit der erzielten Einigung zufrieden. Auf einer Pressekonferenz vor dem Reichstag sprach der SPD-Partei- und Fraktionschef von einem historischen Signal. „Wir lösen damit eine jahrelange Blockade auf“, sagte Klingbeil.
Die Verhandlungen mit den Grünen lobte er als vertraulich, effektiv und richtig. „Die Gespräche haben das Paket jetzt nochmal besser gemacht“, sagte der SPD-Politiker.
Bei den Grünen ist man mit den erreichten Zugeständnissen sehr zufrieden. Die Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge hob bei einer Pressekonferenz am Nachmittag vor allem drei Punkte hervor.
Erstens, das Kriterium der Zusätzlichkeit. „Nur dadurch können wir sicherstellen, dass nicht hunderte Milliarden Euro genutzt werden, um Steuersenkungen aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren“, sagte Dröge. Dafür sei so eine Reform nicht da. Zweitens, die explizite Einigung auf Investitionen in den Klimaschutz, um das Netto-Null-Ziel bis 2045 zu erreichen.
„Das ist erstmals so klar im Grundgesetz verankert“, so die Grünen-Politikerin. Drittens, die neuen Mittel für den KTF. „Diese 100 Milliarden Euro werden einen Unterschied machen.“ Damit soll zum Beispiel der klimaneutrale Umbau der Industrie oder die Wärmewende finanziert werden.
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„Das ist ein großer Erfolg für die Demokratie in unserem Land, für die Zukunftsfähigkeit und die Generationengerechtigkeit“, sagte auch die sächsische Grünen-Abgeordnete Paula Piechotta dem Tagesspiegel. Aus ihrer Sicht haben die Grünen hart und zugleich verantwortungsvoll verhandelt.
Einziges Manko aus ihrer Sicht: Auf eine grundlegende Reform der Schuldenbremse konnte man sich nicht einigen. Diese wolle man dann im neuen Bundestag mit der Linkspartei verhandeln. „Unsere Tür bleibt offen“, so Piechotta.
Wirtschaftswissenschaftler bewerten Einigung positiv
Ökonominnen und Ökonomen lobten den Kompromiss ebenfalls mehrheitlich. „Damit ist der Weg frei, dass sich die zaghafte Aufbruchstimmung nach Veröffentlichung der ersten Pläne zur Schuldenbremsenreform vor zehn Tagen nun auch zügig in einem echten Aufbruch für die deutsche Wirtschaft niederschlägt“, erklärte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Einigung sei eine gute Nachricht für die deutsche Wirtschaft.
„Auch wenn es schwierig werden wird, die Zusätzlichkeit hieb- und stichfest zu machen, ist es angesichts des Zeitdrucks, unter dem die Verhandlungspartner standen, eine wichtige Verbesserung“, sagte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie kritisierte allerdings, dass man es bei den Verteidigungsausgaben bei der 1-Prozent-Grenze des BIP belassen hat. Das ist weniger, als momentan im Haushalt für Verteidigung ausgegeben wird.
Zustimmung des Bundesrates ungewiss
Am Vormittag hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags eine Sitzung zum geplanten milliardenschweren Finanzpaket von 11.30 Uhr auf 17 Uhr verschoben – offenbar um den Verhandlern von Union, SPD und Grünen mehr Zeit zu verschaffen. In der nachmittäglichen Ausschusssitzung soll über den Gesetzentwurf mit mehreren Grundgesetzänderungen beraten werden. Die Empfehlung des Ausschusses ist Voraussetzung dafür, dass das Vorhaben am Dienstag endgültig im Bundestag verabschiedet werden kann.
Zusätzlich braucht es allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat, der am Freitag entscheiden könnte. Die Mehrheit ist noch nicht sicher. Bundesländer können nur dann zustimmen, wenn sich die dortigen Regierungskoalitionen einig sind.
Kritik von AfD und Linkspartei
AfD und Linkspartei haben die Einigung wenig überraschend scharf kritisiert. „100 Milliarden Euro aus dem Schuldenpaket werden für klimaideologische Projekte verbrannt“, schrieb AfD-Chefin Alice Weidel am Freitag bei X. Dafür, dass CDU-Chef Friedrich Merz Kanzler werden könne, „müssen Generationen teuer bezahlen“.
Ines Schwerdtner, Parteichefin der Linken, sagte wiederum, der Kompromiss helfe vor allem der AfD. Nun werde ein zentraler Fehler der Ampel-Regierung wiederholt, „nämlich Klimaschutz und Aufrüstung ohne sozialen Ausgleich“, sagte sie den Funke-Zeitungen. „Das wird scheitern und noch mehr Menschen in die Arme der AfD treiben.“
Am Samstag hatten Union und SPD ihr Sondierungspapier vorgestellt. Die Grundlage für die darin genannten Vorhaben bilden die finanzpolitischen Reformvorschläge der beiden Parteien, für die es allerdings Grundgesetzänderungen und damit die Zustimmung der Grünen braucht.
Letztere hatten am Montag angekündigt, den Plänen in der Form nicht zustimmen zu wollen. In der Hoffnung, die Partei umzustimmen, hatten Merz und Klingbeil seit Montag Gespräche mit der Fraktionsspitze der Grünen gesucht. In der Bundestagsdebatte am Donnerstag schienen die Fronten weiterhin verhärtet. Nach einer Einigung sah es bis gestern Abend nicht aus. Medienberichten zufolge sollen die Fraktionsspitzen bis in den frühen Freitagmorgen verhandelt haben.
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