zum Hauptinhalt
Generalinspekteur der Bundeswehr: General Carsten Breuer.

© Imago/Funke Foto Services/Maurizio Gambarini

100.000 Soldaten mehr bis 2030: Generalinspekteur setzt bei Stärkung der Bundeswehr auf Reservisten

Breuer will dem Personalmangel der Truppe mit der Ausbildung von Reservisten beikommen. Da die aber „nicht einfach so auf dem Arbeitsmarkt“ zur Verfügung stünden, sieht er nur eine Lösung: den Wehrdienst.

Stand:

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die globale Sicherheitsstruktur verändert und in den westlichen Staaten die Bedeutung der Armeen wieder in den Vordergrund rücken lassen. Im Fall der Bundeswehr geht es einerseits um Bewaffnung und Ausrüstung, andererseits aber auch um das Personal.

Trotz intensiver Bemühungen gelingt es der Truppe bisher nicht, signifikant mehr Frauen und Männer für den Dienst an der Waffe zu gewinnen.

In der Debatte über den Personalmangel bei der Bundeswehr hat Generalinspekteur Carsten Breuer nun klargemacht, dass er auf eine Erhöhung der Truppenstärke vor allem durch Reservisten setzt.

An der Zielmarke von gut 200.000 aktiven Soldaten halte die Bundeswehr fest, sagte Breuer der „Welt am Sonntag“ (WamS). „Ich sehe auch nicht, dass der Arbeitsmarkt angesichts des demografischen Wandels sehr viel mehr hergibt“, führte er aus.

Deswegen müssen wir dabei auf einen Wehrdienst setzen – welcher Form auch immer.

Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr

Derzeit verfügt die Bundeswehr über etwa 182.000 Soldaten. Die Bundeswehr sei aber darauf vorbereitet, rund 100.000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten bis zum Wechsel des Jahrzehnts zu Reservisten auszubilden.

Mehr Politik sehen Sie hier

Aus den Nato-Verpflichtungen und Deutschlands Rolle als logistische Drehscheibe für einen Truppenaufmarsch an der Ostflanke sei ein Bedarf von insgesamt 460.000 Soldaten und Reservisten abzuleiten, sagte Breuer. Angesichts des Ziels von rund 200.000 aktiven Soldaten seien also 260.000 Reservisten nötig.

Derzeit habe die Bundeswehr „eine stehende Reserve von 60.000 Reservisten in den Strukturen abgebildet, die gerade befüllt werden“.

Dazu rechne er mit 100.000 weiteren Reservisten, die aus dem Pool der 800.000 ehemaligen Soldaten kämen, die über die Jahre hinweg aus dem Dienst ausgeschieden seien. Es bleibe „also eine Lücke von 100.000, die wir füllen müssen“, so der General. 

Diese Reservisten seien jedoch „nicht einfach so auf dem Arbeitsmarkt“ zu gewinnen. „Deswegen müssen wir dabei auf einen Wehrdienst setzen – welcher Form auch immer“, so Breuer. Er habe der Bundesregierung keinen militärischen Ratschlag erteilt, ob es dazu eine Pflicht benötige oder Freiwilligkeit genüge.

„Das ist eine rein politische Frage, dazu gibt es keine militärische Ableitung“, so Breuer. „Wir brauchen ein Aufwuchspotenzial – und sind in der Truppe darauf vorbereitet, rund 100.000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten bis zum Wechsel des Jahrzehnts zu Reservisten auszubilden.“

Als Herausforderung beschrieb der Generalinspekteur das oft träge System der Bundeswehr. Es sei „ein ständiges Einwirken auf verkrustete Strukturen“ nötig, um Veränderungen zu erreichen.

Sein Eindruck sei aber: „Das Verständnis für den Handlungsdruck bis 2029 kommt mehr und mehr in den kompletten Apparat hinein. Dieser Wechsel des Mindsets, wieder kriegstüchtig sein zu müssen, ist angekommen – davon kann ich mich bei meinen Dienstaufsichten immer wieder überzeugen.“

Breuer warnt vor Angriff Russlands auf Nato ab 2029

Breuer sagte in dem Interview mit der „WamS“ weiter, er sehe „eine deutliche Bedrohung durch Russland“, dessen Streitkräfte im nächsten Jahr mit 1,5 Millionen Soldaten doppelt so groß sein würden wie vor dem Angriffskrieg gegen die Ukraine.

„Wir sehen, dass jährlich um die 1500 Kampfpanzer entweder neu produziert oder aus Depots herausgeholt und instand gesetzt werden – das ist deutlich mehr, als für den Krieg gegen die Ukraine gebraucht wird. Und die Lager werden mit Munition gefüllt“, so Breuer.

Nach seiner Einschätzung wäre Russland 2029 „damit zu einem großmaßstäblichen, konventionellen Angriff auch auf Nato-Gebiet in der Lage“. Es sei Putins Ziel, „die Nato als Bündnis zu schwächen und zu zerstören und unsere westliche Gesellschaftsform zu diskreditieren“.

Reservistenverband hält „Massen-Heer“ für nötig

Der Präsident des Reservistenverbands, Patrick Sensburg, hatte am vergangenen Wochenende gesagt, dass er für die Landesverteidigung eine Zahl von einer Million Reservisten für nötig hält.

Um Deutschland in der Fläche zu verteidigen, bräuchte man 300.000 bis 350.000 Soldaten, sagte Sensburg dem Nachrichtenportal t-online. „Die Zahl der Reservisten müsste um das Dreifache sein, also rund knapp eine Million.“ Er fügte hinzu: „Wir brauchen ein Massen-Heer, um in einem möglichen Krieg zu bestehen.“

Er forderte daher die Rückkehr zur Wehrpflicht. Freiwilligkeit alleine reiche nicht mehr, sagte Sensburg. „Wir haben das Potenzial der freiwilligen Bewerbungen ausgeschöpft. Seit Jahren machen wir tolle Werbekampagnen und Imagefilme, gründen Karrierecenter und locken mit Angeboten – ohne sichtbaren Erfolg. Die Bundeswehr ist kein unattraktiver Arbeitgeber, aber nicht jeder will Soldat werden. Deshalb braucht es wieder eine Verpflichtung. Nicht, weil wir Zwang so toll finden, sondern weil es ohne nicht geht.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })