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Zerstörungen. In den umkämpften Gebieten des "Islamischen Staats" bleibt kein Stein auf dem anderen.

© Reuters

"Islamischer Staat": 16-Jährige aus München flieht zum IS

Ein Vater aus Neuried bei München will seine 16-jährige Tochter eigenhändig nach Deutschland zurückholen. Das Mädchen ist offenbar nach Syrien gereist, um sich dem "Islamischen Staat" anzuschließen.

Ihr Bett in der Wohnung der Familie ist frei, der Sitzplatz in der Realschule seit zwei Wochen leer. Elif Ö., ein 16 Jahre altes Mädchen aus Neuried bei München, ist weg. „Vermisst!“, schreiben die Eltern auf Facebook und stellen viele Fotos von ihr ins Netz. Sie haben einen Verdacht, der fast zur Gewissheit geworden ist: Elif ist über die Türkei nach Syrien gereist, um sich dem „Islamischen Staat“ anzuschließen.

Am 28. Februar hatte sie sich verabschiedet und gesagt, sie wolle bei Freundinnen in Landsberg am Lech übernachten. Doch sie fuhr nicht nach Landsberg. Tags darauf flog sie vielmehr nach Istanbul. Von dort ging es weiter an die türkisch-syrische Grenze.

Elif wuchs in einer modernen türkischen Familie auf, sie hat einen deutschen Pass. Sie hatte eine behütete Kindheit, soweit man das beurteilen kann, zusammen mit beiden Eltern und zwei Geschwistern. Ihr Wohnort Neuried liegt an der südwestlichen Stadtgrenze zu München. Es ist eine gute Ecke.

Was innerhalb nur eines Jahres passiert ist, wie Elif zur Islamistin wurde, zeigen Fotos von ihr im Internet: Sie hatte einst lange, blond gefärbte Haare, ein Zungenpiercing, trug moderne Kleidung. Dann kam das Kopftuch. Und am Ende der schwarze Ganzkörperschleier.

Ein Mädchen, das einen IS-Kämpfer heiratet, kommt ins Paradies, sagt der IS

Elifs Vater Atila Ö. ist ihr hinterhergefahren, als die Familie anhand von Notizen und Online-Konversation ihre Pläne durchschaut hatte. Sie will die Frau eines Dschihadisten werden. Wer sich einem Kämpfer anschließt, so die Ideologie, kommt selbst ins Paradies. Atila Ö. sucht sie. „Ich komme gar nicht zurecht, ich komme überhaupt nicht weiter“, sagte er am Dienstag dem Tagesspiegel. Seine Stimme klang brüchig. Bald will der Vater wieder nach München zurückkehren. Wohl ohne die Tochter, deren Spur sich an der türkisch-syrischen Grenze verliert. „Ich denke an Dich, mein Engel“, hat die Schwester vor zwei Tagen an Elif geschrieben. „Mir fließen die Tränen, mein Herz tut so weh.“ Sie fleht sie an, wenigstens eine „klitzekleine Nachricht“ zu schicken. Und: „Ich liebe Dich, Schwesterherz, und werde niemals die Hoffnung aufgeben.“

Zumindest zwei Brüche hat es laut der „Süddeutschen Zeitung“ in Elifs Leben gegeben. Demnach hat sie den Umzug von Landsberg, wo sie groß geworden ist, in den Münchner Raum nur schwer verkraftet, sie trauerte der alten Heimat nach. Im vergangenen Frühjahr wäre sie nach einer alkoholreichen Party beinahe in der Isar ertrunken, ein Rettungsarzt konnte sie wiederbeleben. Dieses Erlebnis hat sie in einen religiösen Zusammenhang gestellt, hat von einem „neuen Leben“ und einer „neuen Chance“ gesprochen.

Durch Internetforen wurde Elif radikalisiert, da ist sich ihre Familie sicher. Frauen werden in den vom IS besetzten Gebieten gebraucht: für den Haushalt, als Lehrkräfte – und zum Kinderkriegen. Laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz sind bisher 650 Menschen aus Deutschland nach Syrien in den Krieg gefahren. Darunter sind 65 Frauen. Eine von ihnen ist Elif.

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