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Er wird nochmals größer: Der Bundestag hat jetzt 735 Abgeordnete.

© Kay Nietfeld/dpa

735 Abgeordnete im neuen Bundestag: Das bayerische Treibmittel

Der neue Bundestag ist noch größer als der alte. Wie es dazu kam, warum die CSU überrepräsentiert ist, weshalb das verfassungswidrig sein könnte.

Der neue Bundestag hat 735 Abgeordnete. Das sind zwar etwas weniger, als sich in den Prognosen zuletzt abgezeichnet hatte – die lagen um zwei, drei Dutzend höher. Aber es sind nochmals mehr Sitze, als der scheidende Bundestag hatte. In ihm saßen 709 Abgeordnete. Die geringfügige Wahlrechtsreform der schwarz-roten Koalition konnte somit eine stärkere Dämpfung des Aufwuchses nicht erreichen.

Die gesetzliche Ausgangsgröße liegt bei 598 Mandaten. Durch Überhänge und Ausgleichsmandate kann das Parlament aber deutlich größer werden, wie man jetzt zum zweiten Mal nach 2017 gesehen hat. Überhänge entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate holt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis überhaupt an Sitzen zusteht. Dadurch wird der Parteienproporz verzerrt, und da Deutschland ein Verhältniswahlsystem hat, muss das ausgeglichen werden. Das Problem der Überhänge steckt seit den Anfängen in diesem System der personalisierten Verhältniswahl. Die Hälfte der gesetzlichen Mindestmandatszahl wird über die Erstimmen in 299 Wahlkreisen an die jeweiligen Sieger zugeteilt, nach relativer Mehrheitswahl. Die zweite Hälfte geht an Listenbewerber gemäß dem Zweitstimmenanteil der Parteien. Da es auf den ankommt, müssen Verzerrungen durch die Wahlkreisergebnisse – also Überhänge – eben ausgeglichen werden.

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Wie seit langem befürchtet, war in der Hinsicht am Sonntag das Ergebnis der CSU auschlaggebend. Sie ist die Treiberin, deren Abschneiden zur neuen Rekordgröße des Bundestags geführt hat. Trotz des starken Einbruchs von gut sieben Prozentpunkten im Vergleich zu 2017 ist die CSU wieder stärkste Partei in Bayern geworden. Und sie liegt auch in 45 der 46 Wahlkreise vorn. Nur München-Süd ging an die Grünen, in zwei weiteren Wahlkreisen der Landeshauptstadt lag die CSU nur sehr knapp vor den Grünen.  

Elf Überhänge der CSU

Die 45 Direktmandate – die ja garantiert sind, wer eines holt, ist sicher im Bundestag – gewann die CSU mit einem Erststimmenanteil von 36,9 Prozent. Bei den Zweitstimmen waren es bayernweit dagegen 31,7 Prozent. Ein Teil der Differenz erklärt sich wohl durch Stimmensplitting von Wählern, die mit der Zweitstimme FDP wählten – der Erststimmenanteil der Freien Demokraten ist deutlich geringer als ihr Zweitstimmenanteil. Insgesamt bedeutet das, dass die 45 Direktmandate (knapp die Hälfte der 93 Ausgangssitze für Bayern) nicht durch den Zweitstimmenanteil gedeckt sind.

Der Sitzanspruch der CSU beträgt nämlich nach dem Zweitstimmenanteil nur 34 Sitze, wie der Politikwissenschaftler Joachim Behnke für den Tagesspiegel errechnet hat. Da die CSU 45 garantierte Direktmandate hat, entsteht so ein Überhang von elf Mandaten. Da allerdings mit der schwarz-roten Wahlrechtsreform im vorigen Jahr drei ausgleichslose Überhangmandate eingeführt worden waren, muss der bundesweite Ausgleich nur so weit reichen, dass acht CSU-Überhänge ausgeglichen werden. Da die CSU eine Regionalpartei ist, bundesweit somit eine Kleinpartei, ist der Ausgleichsbedarf relativ hoch. Jeder CSU-Überhang zieht 17 Ausgleichssitze nach sich. Insgesamt kommt es so zu der Gesamtzahl von 735 Mandaten im neuen Bundestag.

Sieben Prozent drüber

Wobei dank der drei ausgleichslosen Überhangmandate, die ja CSU-Mandate sind, die Christsozialen im Bundestag überrepräsentiert sind – laut Behnke mit sieben Prozent gemessen an ihrem Zweitstimmenergebnis. Er glaubt daher, dass das bei der anstehenden Verhandlung des Wahlrechts vor dem Bundesverfassungsgericht eine Rolle spielen wird. „Hier liegt ein deutlicher Verstoß gegen die Erfolgswertgleichheit der Stimmen vor. Das kann zu einem Problem in Karlsruhe werden“, sagt der Wahlrechtsexperte.

Dass auch die CDU (in Baden-Württemberg), die SPD (in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Niedersachsen und im Saarland) und die AfD (in Sachsen) Überhangmandate haben, fällt nicht ins Gewicht. Sie werden vom bayerischen Ergebnis quasi überlagert. Aber es zeigt sich hier die Vielfalt an Möglichkeiten für Überhänge, die auch in anderen Konstellationen als am Sonntag ebenfalls zu einem größeren Bundestag führen können.

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