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Abschiebungen nach Afghanistan: Geheimtreffen mit Ex-Präsident Karsai in Berlin
Nach Angaben des früheren BND-Chefs Hanning nimmt der ehemalige Staatschef für die Islamisten eine „zentrale Rolle als Vermittler“ ein. Er habe in Berlin intensiv mit Karsai gesprochen.
Stand:
Im Koalitionsvertrag hat die schwarz-rote Bundesregierung beim Thema Migration festgelegt, dass es auch wieder Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan geben soll, „beginnend mit Straftätern und Gefährdern“. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) kündigte an, dass mit der Taliban-Regierung verhandelt werden solle. Dem „Focus“ sagte er: „Nach wie vor braucht es Dritte, um Gespräche mit Afghanistan zu führen. Eine Dauerlösung darf das so nicht bleiben.“
Regierungssprecher Stefan Kornelius hatte gesagt, Abschiebungen an den Hindukusch seien ein „wichtiges Ziel“, angesichts der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen aber auch „ein schwieriges Ziel“. Der Frage, wie Vereinbarungen aussehen könnten, ohne das Taliban-Regime aufzuwerten oder sogar diplomatisch anzuerkennen, wich die Bundesregierung aus. Kornelius sagte nur, es werde „auf verschiedenen Ebenen über das Thema diskutiert und verhandelt“.
Bei einem vertraulichen Treffen (...) kam es zu einem intensiven Austausch zwischen Karsai und mir.
August Hanning, Ex-BND-Chef
Der „Behördenspiegel“ hatte bereits berichtet, dass sich zwei Emissäre der Regierung der radikal-islamistischen Taliban in Deutschland befänden, „um Kooperationsmöglichkeiten auszuloten“. Und nach Angaben der „Bild“ laufen die Verhandlungen der Regierung hinter den Kulissen bereits auf Hochtouren. Dem Bericht zufolge traf der afghanische Ex-Präsident Hamid Karsai vor Kurzem Ex-BND-Chef August Hanning in Berlin.
Karsai soll über enge Kontakte zur Taliban-Spitze verfügen
Hanning sagte dem Blatt demnach: „Bei einem vertraulichen Treffen im China Club kam es zu einem intensiven Austausch zwischen Karsai und mir.“ Der frühere deutsche Innenstaatssekretär betonte demnach, dass Karsai trotz seines offiziellen Rückzugs 2014 „eine zentrale Rolle als Vermittler“ einnimmt.
Karsai verfüge über „enge Kontakte zu den aktuellen Machthabern und ist mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattet, um Gespräche mit der deutschen Seite zu führen“, sagte Hanning demnach. Die aktuelle Führung der Islamisten könnte wegen internationaler Haftbefehle nicht selbst zu Verhandlungen reisen.
Wichtiges Thema bei dem Gespräch war Hanning zufolge die „humane und geordnete Rückkehr afghanischer Staatsangehöriger“, bei der Afghanistan „konstruktive Lösungen“ anbiete. Als Bedingung für Abschiebungen nach Afghanistan nannte Karsai demnach den „Respekt vor der Menschenwürde“.

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Erörtert wurden „die Grundlagen für eine künftige strategische Partnerschaft“ zwischen Deutschland und Afghanistan, so Hanning. Es sei um die Armut Afghanistans und fehlende Investitionen einerseits und reiche Rohstoffvorkommen andererseits gegangen. Im August werde Karsai angeblich wieder in Berlin erwartet, so das Blatt.
Zum Stichtag 31. Mai hielten sich in der Bundesrepublik 11.423 ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige auf, teilte eine Bamf-Sprecherin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am vergangenen Freitag mit. Unter ihnen seien 9602 Menschen mit und 1821 Menschen ohne Duldung, fügte sie hinzu.
Eine Duldung bedeutet nach Paragraf 60a des Aufenthaltsgesetzes eine „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“, so die Agentur AFP. Die Ausreisepflicht besteht dabei jedoch im Prinzip fort. Wie viele Straftäter oder Gefährder sich unter den Ausreisepflichtigen befinden, konnte die Bamf-Sprecherin nicht sagen.
Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt und litt jahrzehntelang unter Krieg. Im Sommer 2021 kehrten die radikalislamischen Taliban inmitten des Abzugs westlicher Streitkräfte an die Macht zurück. Damals wurden von der Bundesregierung Rückführungen nach Kabul gestoppt. Erst 2024 brachte ein erster Sonderflug sogenannte Gefährder und Straftäter zurück an den Hindukusch.
Dort haben viele Staaten und Organisationen ihre Hilfen für das Land deutlich zurückgefahren. In Afghanistan haben Menschen kaum Aussicht auf Jobs, ihre Zukunft ist höchst ungewiss. Vor allem Frauen werden systematisch diskriminiert.
In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, das Treffen habe im Berliner Hotel Adlon stattgefunden. Das ist falsch, wir haben die entsprechende Passage korrigiert.
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