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Abstimmung über Schulden-Pläne: Das Zittern ist noch nicht vorbei
Erst einmal haben sich Union, SPD und Grüne auf eine Grundgesetzänderung geeinigt. Doch werden die Stimmen im Parlament dazu am Dienstag reichen? Das ist vollkommen offen.
Stand:
„Einstimmig“. Dieses Wort betonte Friedrich Merz am Freitagnachmittag auf der Fraktionsebene im Bundestag. Einstimmig habe seine Fraktion die schwarz-rot-grünen Pläne für die Änderungen des Grundgesetzes angenommen. Am Dienstag, wenn das Plenum des alten Bundestages über die Verfassungsänderungen abstimmen soll, werde die Union vollständig präsent sein.
„31“. Auch diese Zahl erwähnt Merz kurz nach der Fraktionssitzung während seines Statements. SPD, CDU/CSU und Grüne hätten im alten Bundestag 31 Abgeordnete mehr als die Zweidrittelmehrheit. Es gebe also, sagt Merz, einen gewissen „Puffer“. Krankheitsfälle, sagt Merz noch, seien nicht bekannt.
Womöglich werden die drei Fraktionen diesen „Puffer“ benötigen, und vielleicht ist die Frage berechtigt: Reicht denn dieser „Puffer“ überhaupt? Im alten Bundestag sitzen 48 Unions-Abgeordnete, die dem neuen Parlament nicht mehr angehören werden, 46 Grüne und 95 Sozialdemokraten. Solche Parlamentarier, die keinen Posten anstreben, von denen mancher vielleicht verärgert ist über das Schuldenpaket generell oder über Merz oder irgendetwas anderes, gelten als schwer zu kontrollieren.
Ob der 20. Deutsche Bundestag dem möglichen künftigen Kanzler Merz, der möglichen schwarz-roten Koalition doch noch den Start verhagelt? Kurz bevor dieser 20. Deutsche Bundestag Geschichte sein wird?
Merz muss seine Sondierungen jetzt bei null beginnen.
Ein Grüner (mit Genugtuung in der Stimme)
Am späten Freitagvormittag sickern die ersten Nachrichten von einer schwarz-rot-grünen Einigung durch. Erleichterung. Etwas Verunsicherung wieder, als die Grünen um 11.53 Uhr die „Handelsblatts“-Meldung über eine Verständigung dementieren. Zu dieser Zeit ist der Dax bereits gestiegen. Um 13 Uhr kommen die Fraktionen von Union und SPD zusammen, außerdem die der Grünen.
Merz trägt vor der CDU/CSU die Einigung vor, die man nach zehnstündigem Verhandeln in der Nacht auf Freitag und am Morgen erzielt hat: Die Ausgaben für Verteidigung, Zivilschutz, Sicherheit in der Informationstechnik werden oberhalb von einem Prozent aus der Schuldenbremse genommen, 100 der 500 Milliarden Euro im Sondervermögen fließen in den Klimatransformationsfonds.
Während die Grünen zuletzt signalisiert hatten, der Reform der Schuldenbremse auch ohne das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen zuzustimmen, hatten SPD und Länder auf eine Koppelung gedrungen. Ob bei der SPD am Dienstag alle 207 bisherigen Abgeordneten mit Ja stimmen werden?
Bei den Grünen herrscht am Freitagmittag ebenfalls Erleichterung. Nicht unumstritten war der harte Verhandlungskurs der beiden Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann intern gewesen. Die Länder hatten um viel Geld gebangt und lange hatten sich Union und SPD kaum bewegt.
Nach der hitzigen Bundestagsdebatte am Donnerstag scheint ein Scheitern nicht mehr undenkbar. Relevante Fortschritte gelingen erst in der Nacht auf Freitag. Bis in die frühen Morgenstunden wird gerungen, als die Verhandler ins Bett gehen, ist es bereits wieder hell.
Ein paar Grüne könnten ablehnen
Das Ergebnis kann sich aus Grünen-Sicht sehen lassen. 100 Milliarden Euro für den Klimaschutz, drei Milliarden Euro für die Ukraine, Verteidigungsausgaben nicht nur fürs Militär, sondern auch für Cyberabwehr und Zivil- und Bevölkerungsschutz. Vor allem aber wird festgelegt, dass Union und SPD das Sondervermögen für zusätzliche Investitionen benutzen müssen. „Merz muss seine Sondierungen jetzt bei null beginnen“, sagt ein Grüner mit Genugtuung in der Stimme.
Und doch ist die Stimmung nicht euphorisch, als sich um 13 Uhr die Grünen-Abgeordneten zusammenschalten. Angesichts der gigantischen Summen haben einige Grüne das Gefühl, Monopoly zu spielen. Dass man mit dem Geld Friedrich Merz die Kanzlerschaft ebnet, dessen ist man sich in der Fraktion durchaus bewusst. Eine Handvoll Abgeordneter will sich die Zustimmung nach Tagesspiegel-Informationen noch offenhalten.
„Sehr, sehr gute Rückmeldungen“ habe man in der Fraktion erhalten, sagt Haßelmann am Nachmittag vor der Presse. Eine Probeabstimmung habe es zwar noch nicht gegeben, aber „ich habe überhaupt keine Sorge“, sagt die Fraktionsvorsitzende.
Wenn der Bundestag grünes Licht für die Grundgesetzänderungen gegeben haben sollte, ist der Bundesrat an der Reihe. Er will am 21. März tagen. Nötig sind 46 der 69 Stimmen in der Länderkammer. Das Zittern ist noch nicht zu Ende.
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