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AfD-Chef als Fürsprecher Putins: Chrupalla verteidigt Russlandreisen von Parteikollegen – trotz interner Kritik von Weidel & Co
AfD-Chef Tino Chrupalla sorgt weiter für Aufregung. In der ZDF-Talk-Runde „Markus Lanz“ verharmloste er den Kremlchef. Nun verteidigt er die umstrittenen Reisepläne von Parteikollegen nach Russland.
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In der Debatte um den Umgang mit Russland hat AfD-Chef Tino Chrupalla erneut nachgelegt. Im ZDF-„Morgenmagazin“ verteidigte er die umstrittenen Reisepläne von Parteikollegen nach Russland. „Die Kollegen, die dorthin fahren, haben ihre Reise angemeldet. Sie wurde genehmigt“, sagte Chrupalla mit Blick auf die Kritik der Co-Parteivorsitzenden Alice Weidel an dem Vorhaben.
Mit seiner positiven Haltung gegenüber Russland unterscheidet sich Chrupalla zunehmend von der Position Weidels, die sich jüngst eher den USA zugewandt hat.
Weidel kritisiert Russland-Besuch scharf
Weidel hatte die geplanten Reisen der AfD-Bundestagsabgeordneten Kotré und Rainer Rothfuß scharf kritisiert und parteiinterne Konsequenzen angekündigt. Sie könne nicht verstehen, was man in Russland „eigentlich soll“, sagte sie am Dienstag im Bundestag.
Vor einer Sitzung der Bundestagsfraktion in Berlin erklärte sie auf Journalistennachfrage, aus den Reihen der AfD-Fraktion werde nur noch Steffen Kotré nach Sotschi reisen. Der Abgeordnete Rainer Rothfuß werde hierbleiben. Er habe dies aus eigenen Stücken nach diversen Gesprächen mit Kollegen entschieden. Aus Weidels Worten ließ sich aber schließen, dass dies in ihrem Sinne war.
Konkret geht es um eine Reise zu einer politikwissenschaftlichen Konferenz im Schwarzmeer-Kurort Sotschi. Das Symposium wird nach dpa-Angaben vom Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften und von Organisatoren der Kremlpartei Geeintes Russland ausgerichtet.
AfD-Chef Chrupalla zufolge handelt es sich dabei um ein Treffen von AfD-Abgeordneten mit russischen Politikern anlässlich einer Veranstaltung der Brics-Staaten, an denen auch Vertreter Indiens und Chinas teilnehmen würden.
Zudem erklärte er im „Morgenmagazin“: „Wir sind uns mit Frau Weidel einig, dass wir die Beziehungen nach Russland offen halten.“
Chrupalla bei Lanz: „Ich sehe aktuell durch Russland keine Gefahr für Deutschland“
Chrupallas Haltung zu Russland und deren Staatschef Wladimir Putin sorgt seit Dienstagabend für Aufregung. Markus Lanz konfrontierte ihn in seiner Talkshow mit einem eigenen Zitat: „Was bringt Sie zu diesem Satz, ‚Russland ist keine Gefahr für Deutschland‘?“, fragte Lanz.
„Ich sehe aktuell keine Gefahr für Deutschland durch Russland“, wiederholte der AfD-Chef seine frühere Aussage. Er sehe keinen hybriden Krieg gegen Deutschland durch Russland, aber er „kritisiere sehr wohl den Angriffskrieg gegen die Ukraine“. Und relativierte gleich: Es habe aber eine Vorgeschichte gegeben, die 2014 begonnen habe, als Bürgerkrieg in der Ukraine geherrscht habe und ebenso Oppositionelle verfolgt worden seien wie in Russland.

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Um die Beziehung der AfD zu Russland und darum, wie sich Deutschland auf künftige geopolitische Konflikte vorbereiten sollte, ging es beim ZDF-Talk „Markus Lanz“ am Dienstagabend. Neben AfD-Chef Tino Chrupalla saßen in der Runde der Kremlkritiker Wladimir Kara-Mursa, die Zukunftsforscherin Florence Gaub und der stellvertretende Politikchef der „FAS“, Justus Bender.
Ich argumentiere als deutscher Politiker, mir hat Putin ja nichts getan.
Tino Chrupalla, AfD-Vorsitzender
Was dabei herauskam, war ein Schlagabtausch, in dem Chrupalla immer wieder die Perspektive des Kreml einnahm und gegen Deutschland, Polen und die USA austeilte. „Ich argumentiere als deutscher Politiker, mir hat er (Putin; Anmerkung der Redaktion) ja nichts getan.“
Oppositionelle, die in Russland ermordet werden? Chrupalla verwies auf Jeffrey Epstein. Auch bei dem in den USA verurteilten Sexualstraftäter wisse man schließlich nicht, wie er umgekommen sei. Oder Edward Snowden, der sei im eigenen Land verfolgt worden.
„Das sind ja auch alles Dinge, wo ich Zeugen beseitigen möchte“, sagte der AfD-Vorsitzende. Auf Nachfrage von Lanz gibt er zu, natürlich nicht zu wissen, ob Epstein umgebracht worden sei oder ob er, wie es offiziell heißt, Suizid begangen habe.
Solange wir Putin haben, ist Russland die größte Gefahr für die freie Welt.
Wladimir Kara-Mursa, Kremlgegner
„Solange wir Putin haben, ist es (Russland; a. d. R.) die größte Gefahr für die freie Welt“, sagte Kremlgegner Kara-Mursa in der Runde. „Seit 100 Jahren ist Russland eine Diktatur und hat ganz andere Standards als Deutschland“, entgegnete Chrupalla – und vereinfachte damit die Geschichte des Landes: Boris Jelzin zum Beispiel wurde 1991 in demokratischen Wahlen zum Präsidenten gewählt. Man müsse aber versuchen, sich mit Diktaturen auseinanderzusetzen, so Chrupalla.
Chrupalla lenkt den Blick auf Polen
Jedes Land könne für Deutschland eine Gefahr darstellen, sagte Chrupalla – auch Polen: „Nehmen wir die Nord-Stream-Pipelines.“ Die polnische Justiz habe den Mann, der verdächtigt wird, an der Sprengung beteiligt gewesen zu sein, nicht an Deutschland ausgeliefert und die deutsche Regierung habe nichts unternommen. Ob Polen genauso gefährlich für Deutschland sei wie Russland, fragte Lanz. „Die wirtschaftlichen Interessen Polens sind andere als die Deutschlands“, antwortete Chrupalla.
Die Zukunftsforscherin Florence Gaub erklärte, dass nur ein Staat im Besitz der Atombombe gegen Nato-Länder drohe – und das sei Russland. Als Chrupalla das in Zweifel zog, wies Lanz auf Ex-Kremlchef Dmitri Medwedew hin, der ständig damit drohe. „Medwedew ist der Kiesewetter Russlands“, antwortete Chrupalla. Der verbreite genauso Propaganda wie der CDU-Politiker in Deutschland. (Roderich Kiesewetter ist einer der lautesten Kritiker an den Russlandverbindungen der AfD.)
Was mit der Bedrohung deutscher Infrastruktur durch mutmaßlich russische Drohnen sei? „Wenn der Bundeskanzler das sagt, dann sollte er auch die Beweise haben“, sagte Chrupalla. Die Bundeswehr habe keine einzige russische Drohne bestätigt. Dass Warschau Beweise für russische Drohnen über Polen habe, sei kein Beweis für russische Drohnen über Deutschland.
Einen Hinweis auf russische Hackerangriffe auf den Bundestag konterte er damit, dass auch Angela Merkel von den USA abgehört worden sei. Dass es vonseiten der USA aber keinen hybriden Krieg gegen Deutschland gegeben habe oder gebe, wie die Zukunftsforscherin Gaub erklärte, ließ er nicht gelten.
Auch andere AfD-Politiker widersprechen Chrupalla
Widerspruch zu seinen Aussagen bekommt Chrupalla nicht nur von Weidel – auch der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Rüdiger Lucassen, sieht die Lage anders: „Wir sehen jede Woche russische Waffensysteme in Gebieten, wo sie nichts verloren haben. Wir sehen einen Staat, der keine Bereitschaft zeigt, in Richtung Frieden zu gehen“, sagt er der „Bild“-Zeitung. „Gefahrenabwehr, zumindest aber Prävention, ist die Pflicht jedes deutschen Politikers und jedes deutschen Patrioten.“
AfD-Verteidigungspolitiker Hannes Gnauck, ehemaliger Bundeswehrsoldat, kritisiert die Moskau-Linie auch mit Blick auf eine mögliche Beteiligung an einer Regierung.
Der „Bild“-Zeitung sagt er: „Wir streben 2029 Regierungsverantwortung an und müssen die sicherheitspolitischen Realitäten anerkennen: Es gibt feindselige russische Aktivitäten in Europa, darunter Desinformation, Spionage, Sabotageversuche und hochgradig provokatives Verhalten im Ostseeraum. Dabei wurde auch die Sicherheit deutscher Soldaten gefährdet.“
Weidel und Chrupalla dementieren Streit um AfD-Führung
Dass sich die aktuelle Debatte um die Russland-Politik der Partei zu einem Führungsstreit auswächst, dementieren Weidel und Chrupalla allerdings. „Bild“ hatte zuvor berichtet, dass Weidel den alleinigen Parteivorsitz anstrebe.
Dem widersprechen beide in einer Erklärung: „Wir werden als Bundessprecher der Alternative für Deutschland auch zukünftig gemeinsam Politik für Deutschland und seine Bürger machen“, teilte die Parteispitze am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung mit. „Dafür pflegen wir die guten Beziehungen zu unseren europäischen und internationalen Partnern.“ (mit AFP/lum)
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