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Stephan Harbarth, Vorsitzender des Ersten Senats und Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hält an der Praxis fest.

© dpa / Uli Deck

AfD gegen Bundesverfassungsgericht: Karlsruher Justiz verweist auf Karlsruher Justiz

Eine Klage der Partei gegen die streitbare Medienarbeit der Verfassungsrichter wurde abgewiesen. Jetzt erklärt das Verwaltungsgericht, warum.

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Im Rechtsstreit der AfD gegen das Bundesverfassungsgericht um die Praxis von Vorab-Informationen für Medienvertreter sieht sich das Karlsruher Verwaltungsgericht als teilweise unzuständig an. Ein angeblicher Verstoß gegen Grundsätze des fairen Verfahrens müsse direkt beim Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil des Verwaltungsgerichts. (Az. 3 K 606/21).

Wie berichtet, hatte das Gericht eine Klage der Partei bereits Ende August abgewiesen, die Gründe dafür jedoch zunächst nicht mitgeteilt. In dem Prozess geht es um die jahrelang gepflegte, vor anderen staatlichen Stellen und der Öffentlichkeit aber lange verborgen gehaltene Praxis des Bundesverfassungsgerichts, einen Verein von Fachjournalisten einen Tag vor Verkündung vom Urteilsinhalt in Kenntnis zu setzen.

Journalisten holen die Infos abends beim Pförtner ab

Mitglieder der „Justizpressekonferenz“, darunter auch Journalisten von Nachrichtenagenturen und den Rundfunkanstalten, erhalten die gerichtliche Pressemitteilung am Vorabend persönlich an der Pforte des Gerichts. Im Gegenzug verpflichten sie sich schriftlich, ihre Informationen nicht weiter zu verbreiten. Das Gericht will damit sicherstellen, dass über seine Urteile trotz üblicher Hektik im Nachrichtenbetrieb sorgfältig berichtet wird.

Die AfD, die vor dem Verfassungsgericht häufiger als Kläger auftritt, sieht sich dadurch unter anderem in ihrem Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren verletzt. Sie argumentiert damit, dass eine „Meute zwangsgebührenfinanzierter Journalisten“ so einen Informationsvorsprung erhalte, den sie gegenüber den von einem Urteil direkt Betroffenen ausnutzen könne, um AfD-Politiker „dumm dastehen“ zu lassen. Auch aus Reihen von FDP und Linken gibt es Kritik an der Praxis, die in der Justiz der Bundesrepublik einzigartig ist. Der Deutsche Journalisten-Verband mahnte die Gleichbehandlung von Medienleuten an, die nicht in der „Justizpressekonferenz“ sind.

Tino Chrupalla, Bundesvorsitzender der AfD, sieht die Rechte der Partei verletzt

© dpa / Bernd von Jutrczenka

Grundsätzlich ist auch für eine solche Klage der Weg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet, weil die Tätigkeit einer gerichtlichen Pressestelle nicht als Rechtsprechungs-, sondern als Verwaltungstätigkeit gilt. Das Karlsruher Verwaltungsgericht sieht dies im Falle der Rüge des „Fair-Trial-Grundsatzes“ aber anders. Derlei Verfahrensgrundrechte würde das Verfassungsgericht durch die Vorab-Informationen als Gericht und Spruchkörper verletzen, nicht aber nur über seine Pressestelle. Diese sei gewissermaßen lediglich das ausführende Organ für den Willen der entscheidenden Senate, die Mitteilungen über Urteile vorab an die „Justizpressekonferenz“ herauszugeben.

Hinsichtlich anderer möglicherweise verletzter Rechte sieht sich das Verwaltungsgericht zwar als zuständig an - weist die Klage aber wegen Unzulässigkeit ab. Die AfD habe keine eigenen Rechte, die sie hier geltend machen könne, sie sei deshalb nicht klagebefugt. Um Gleichstellung könne es schon deshalb nicht gehen, weil die Partei kein Medienunternehmen sei.

Die Verfassungsrichter müssten gegen sich selbst stimmen

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Partei kann die Zulassung einer Berufung beantragen, wenn sie sich nicht damit abfinden will. Eine andere Möglichkeit wäre, die Presse-Praxis in einem der nächsten Verfahren der Partei vor dem Bundesverfassungsgericht zu beanstanden. Dann müssten allerdings genau diejenigen Richterinnen und Richter über diese Frage befinden, die sich einstimmig für eine Beibehaltung der Kooperation mit der „Justizpressekonferenz“ ausgesprochen haben.

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