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AFD-Chefin Alice Weidel am Samstag im Bundestag.

© AFP/JOHN MACDOUGALL

„AfD spricht mit gespaltener Zunge“: Die Rechtsaußen-Partei will gemäßigter auftreten und sendet gleichzeitig harte Botschaften

Den angestrebten gemäßigten Auftritt hielt die AfD-Spitze am Samstagvormittag im Bundestag nicht durch. Versehen oder Kalkül?

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Die AfD will weniger radikal auftreten, sendet aber gleichzeitig eindeutige Signale ins eigene Lager. Am Samstagmorgen traten die Partei- und Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla am Rande der AfD-Fraktionsklausur am Wochenende vor die Presse und stellten ein Positionspapier vor.

Darin bekräftigt die Partei bekannte Positionen, plädiert etwa für mehr Abschiebungen, fordert Steuersenkungen und eine Abschaffung des Bürgergelds. Daneben ist ein Verhaltenskodex zu Benimmregeln im Bundestag geplant.

Auffällig: Der Begriff „Remigration“, der laut Medienberichten in einem ersten Entwurf des Positionspapiers gestanden haben soll, taucht nun nicht mehr auf. Zuletzt hatte sich Weidel explizit hinter die Verwendung des Begriffs gestellt. Beim Bundesparteitag im Januar hatte die Parteichefin unter dem Jubel der Delegierten gerufen: „Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration.“

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Befragt nach der Änderung im Papier sagte Weidel am Samstagvormittag im Bundestag: „Das ist nicht das Positionspapier, das verabschiedet wurde.“ Chrupalla erklärte, er kenne kein Papier, in dem der Begriff vorgekommen sei, sprach jedoch von mehreren Arbeitspapieren. Weidel sprach zudem über afghanische Flüchtlinge und bezeichnete diese als „Grabscher und Straftäter“.

Gegen Ende der Pressekonferenz vor dem Fraktionssaal der Partei verschärfte Weidel ihre Rhetorik einmal mehr und bezog sich auf die Zeit des Nationalsozialismus. Zu Beginn habe auch Hitler andere Parteien verboten. Wenn die AfD nun von politischer Teilhabe ausgeschlossen werde, „erinnert mich das an ganz dunkle Zeiten“, sagte Weidel und sprach mit Blick auf politische Gegner von „Loserparteien“.

Vor den Landtagswahlen im nächsten Jahr will die Partei ihr Wählerspektrum weiter ausdehnen.

Benjamin Höhne, Politikwissenschaftler

Zuvor hatte die SPD bei ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende beschlossen, ein AfD-Verbotsverfahren vorzubereiten. Über ein etwaiges Verbot würde das Bundesverfassungsgericht nach rechtsstaatlichen Regeln entscheiden.

Was hat die Partei also vor: Zurückhaltung oder Eskalation? Politikwissenschaftler Benjamin Höhne ordnet es im Gespräch mit dem Tagesspiegel so ein: „Die AfD spricht mit gespaltener Zunge. Sie verfolgt eine Doppelstrategie, indem sie die Normalisierung ihrer Kommunikation vorantreibt und sich beispielsweise von Begriffen wie Remigration distanziert und gleichzeitig weiterhin an harter Rhetorik festhält, denn sie will ihre rechtsextremen Anhänger weiterhin bei der Stange halten.“

Insbesondere der Begriff Remigration werde seit den Correctiv-Recherchen zunehmend mit dem „extremen Rechtsaußen-Spektrum verbunden“, so Höhne, „dieses Narrativ bezieht sich auf die Verschwörungstheorie des großen Bevölkerungsaustausches“.

Als Motivation sieht der Politikwissenschaftler nicht nur die jüngste Einstufung der Partei durch den Bundesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch, sondern auch die fünf Landtagswahlen 2026: „Vor den Landtagswahlen im nächsten Jahr will die Partei ihr Wählerspektrum weiter ausdehnen und insbesondere mehr Frauen gewinnen“, sagte Höhne. „Außerdem will sie sich bei anderen Parteien als möglicher Kooperationspartner verstärkt ins Gespräch bringen. Da kam ihr die Debatte über eine Kooperation mit dem BSW sehr gelegen.“ Auch in der Union dächten einige über eine Zusammenarbeit nach.

Distanzierung und Zurückhaltung in Verhalten und Sprache – etwa im Positionspapier – stünden dabei also nicht beispielhaft für den inhaltlichen Kurs der Partei. „Grundsätzlich ist keine Mäßigung zu erwarten, scheinbare Distanzierungen sind rhetorischer, nicht ideologischer Natur“, so Höhne.

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