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Flüchtlinge in Kabul.

© obs / Afghanischer Frauenverein e.V.

Afghanistan und Syrien: Der Flüchtlingszynismus der Innenminister

Bei der Innenministerkonferenz sind Abschiebestopps nach Syrien ein großes Thema. Doch die Ressortchefs müssten auch nach Afghanistan blicken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Löhe

Attacken, Anschläge, Tote gehören in Afghanistan zum Alltag. Trotzdem schiebt die Bundesregierung Geflüchtete in das Land am Hindukusch ab. Bei der Innenministerkonferenz der Bundesländer wären die Ressortchefs daher gut beraten, nicht nur die Abschiebestopps nach Syrien weiter zu verlängern – sondern auch ein erneutes Ende der Abschiebungen nach Afghanistan auf den Weg zu bringen.

Aber das Gegenteil ist der Fall: Die Unions-Minister aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen oder Bayern setzen sich stattdessen dafür ein, dass noch mehr Afghanen abgeschoben werden, auch wenn sie bestens integriert sind. Und sie verlangen dies auch von ihren SPD-Kollegen aus Bremen und Brandenburg. Dort werden bislang nur Straftäter und Gefährder ausgewiesen.

Um es klar zu sagen: Selbstverständlich müssten Straftäter und sogenannte Gefährder das Land verlassen. Wer den Schutz seines Gastlandes missbraucht, muss mit entsprechenden Konsequenzen rechnen. Vor diesem Hintergrund sollten auch Ermittlungen gegen Verdächtige beschleunigt werden.

Doch die allgemeine Sehnsucht nach mehr Abschiebungen auch von Frauen und Kindern in Richtung Afghanistan erscheint bei genauerem Hinsehen zynisch. Zwar hat sich zumindest nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes die Lage vor Ort seit dem Frühsommer verbessert. Doch bei genauerem Hinsehen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch rein praktische Gründe eine Rolle spielen: Mittlerweile hat sich die Deutsche Botschaft in Kabul vom verheerenden Anschlag im Mai 2017 weitestgehend berappelt  und ist wieder arbeitsfähiger. Es ist schlicht einfacher geworden, Abschiebungen tatsächlich umzusetzen, seitdem Kommunikation und Logistik wieder besser funktionieren.

Doch zahlreiche inhaltliche Fragen sind damit noch lange nicht beantwortet: In welchem Teil des Landes soll denn bitteschön ein umfassender, langfristiger und verlässlicher Schutz für verfolgte Personen existieren? Wer wollte bestreiten, dass Afghanistan unsicher ist?

Frauen und Kinder werden als Schutzschild missbraucht

Es reicht ein Blick in die Meldungen der vergangenen Tage. Erst am Donnerstag starben zehn Menschen durch eine Autobombe in Kabul. Und die Gewalt ist längst nicht auf die Hauptstadt begrenzt: Am Mittwoch kamen mindestens 18 Menschen ums Leben – darunter Frauen und Kinder – nachdem die Taliban in der südöstlichen Unruheprovinz Helmand sie als Schutzschild gegen einen Nato-Angriff missbraucht hatten.

Am Montag wurden in der Provinzhauptstadt Bamian mindestens vier Menschen bei gewaltsamen Protesten getötet, darunter eine 17 Jahre alte Schülerin. Zuvor waren in der westafghanischen Provinz Farah mindestens 18 Polizisten ermordet worden, in der nördlichen Provinz Fariab starben gleich drei Dutzend afghanische Sicherheitskräfte.

Sowohl laut Global Peace Index als auch laut dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen ist Afghanistan nur knapp hinter Syrien das unsicherste Land der Welt. Solange sich das nicht ändert, sollte ein Rechtsstaat wie Deutschland in beide Staaten keine Abschiebungen dulden.

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