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Update

Abschreckungs-Spots der Bundesregierung: "Afghanistan verlassen? Bist du sicher?"

Mit TV-Spots möchte das Auswärtige Amt Afghanen dazu bringen, in ihrem Land zu bleiben. Dabei hatte das Ministerium die Lage im Land im November noch als besonders bedrohlich eingestuft.

Durch zehn kurze Spots will das Auswärtige Amt Afghanen dazu bringen, in ihrem Heimatland zu bleiben. Die Aktion "Afghanistan, my home" sei bereits am Sonntag gestartet, bestätigte ein Sprecher des Ministeriums dem Tagesspiegel. Die kurzen Clips werden demnach im afghanischen Fernsehen und im Internet ausgestrahlt und bis Mitte April sukzessive in diversen afghanischen Kanälen gezeigt. Ziel der Aktion sei es, die Afghanen "zum Bleiben zu ermutigen". Unter dem Hashtag #Idomypart soll die Aktion über Twitter verbreitet werden. Afghanen berichten, warum sie sich trotz Herausforderungen vor Ort für eine Bleibeperspektive in Afghanistan entschieden haben und warum ihnen ihre Heimat wichtig ist.

In den halbminütigen Videos bekunden afghanische Männer und Frauen ihre Liebe zu ihrem Land und präsentieren sich in ihrem Beruf als zum Beispiel Sportler, Ärzte oder Künstler. Sie wollen helfen, dem Land wieder eine Zukunft zu geben und haben sich daher gegen eine Flucht aus dem Land entschieden. "Ich liebe Afghanistan und möchte meinen Teil beitragen" sagt etwa eine Filmemacherin, während sie bei der Arbeit gezeigt wird. "Lasst uns alle zusammen eine Bewegung des Wandels sein."

In einem weiteren Clip, der sehr an eine Werbung für Sportschuhe erinnert, wird Fatima Ebrahimi gezeigt, Mitglied des "Afghanistan Women Athletic Team". "Ich bin sehr glücklich, Afghanin zu sein und in meinem eigenen Land zu leben", spricht die junge Frau, während sie in pinken Turnschuhen und mit Kopftuch Sportübungen macht. "Ich hoffe, dass die Afghanen eines Tages dieses Land Hand in Hand aufbauen werden."

Die Videos sind Teil einer "Aufklärungskampagne" der Bundesregierung

Bei den Clips, die dem Tagesspiegel vorliegen, handelt es sich um Vorabversionen. Die Schlussfassungen werden in der Landessprache ohne englische Untertitel ausgestrahlt. Produziert hat die Filme das afghanische Medienunternehmen Moby Group.

Die Videos sind Teil einer "Aufklärungskampagne" der Bundesregierung. "Mit unserer Kampagne richten wir uns an Menschen in Afghanistan, die über eine Flucht nach Europa und insbesondere Deutschland nachdenken", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes weiter. Die Botschaften lauten: "Glauben Sie nicht an Gerüchte und bewusst gestreute Falschinformationen über das angeblich so einfache Leben in Deutschland." Und: "Denken Sie nach, ob Sie Hab und Gut verkaufen wollen, um kriminelle Schleuser zu bezahlen und Ihr Leben auf der Flucht zu riskieren."

Deutschland stehe mit seinem Engagement weiter zu Afghanistan und beteilige sich auch weiter an der Ausbildungs- und Beratungsmission Resolute Support, um die afghanischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen Terror und Instabilität zu unterstützen. "Entscheidend ist bei all dem, dass die Afghanen selbst ihrer Heimat nicht den Rücken kehren, sondern gemeinsam mit uns an der Zukunft ihres Landes mitbauen."

Ein Plakat in Afghanistan will potentielle Flüchtlinge von einem Verbleib im Land überzeugen.
Ein Plakat in Afghanistan will potentielle Flüchtlinge von einem Verbleib im Land überzeugen.

© Auswärtiges Amt

Bereits seit November 2015 gibt es in Afghanistan Plakate, die für einen Verbleib in Afghanistan werben. Sie finden sich an ausgewählten Standorten in Kabul und sollen auch in Masar-e Scharif und Herat aufgestellt werden - und vor allem in den sozialen Medien verbreitet werden. "Dort widerlegen wir die gängigsten Gerüchte und verklärten Darstellungen über die Aufnahmebedingungen in Deutschland", heißt es hierzu vom Auswärtigen Amt.

In der Hauptstadt Kabul waren von Mitte November bis Mitte Dezember 2015 insgesamt 19 großflächige Plakate zu sehen. "Afghanistan verlassen? Bist du sicher?", stand dort in den Landessprachen Dari und Pashtu. Seit Mitte Januar 2016 sind auch Überlandbusse sowie Stadtbusse in Kabul mit Aufschriften unterwegs, die vor Menschenschmugglern warnen.

Werbung für einen Verbleib in der Heimat gibt es auch in anderen Ländern

Derartige Maßnahmen, die abwanderungswillige Bürger zu einer Entscheidung gegen eine Flucht überzeugen wollen, sind nichts Neues. Als Teil der "Aufklärungskampagne" hatte beispielsweise das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im August 2015 in Albanien und Serbien Videos geschaltet. In diesen wurden Asylsuchende in Deutschland und deren Abschiebung gezeigt. Solche medialen Aktionen würden immer wieder unternommen und seien von Land zu Land verschieden, sagt das Auswärtige Amt.

Dabei möchten die meisten Hilfesuchenden gar nicht weggehen - so sieht es jedenfalls der Generalsekretär von Amnesty International, Salil Shetty: "Kaum einer der Hilfesuchenden möchte wirklich nach Europa. Zuallererst wollen sie eine Zukunft in ihrer Heimat", sagte er der "Frankfurter Rundschau" am Montag. "Versorgt die Flüchtlinge in den Camps mit Nahrung und gebt ihnen eine Perspektive."

Derzeit wird Menschen aus Afghanistan an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien die Durchreise verwehrt. Mazedonien erlaubt seit einigen Tagen nur noch Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak die Durchreise. Afghanen, die bislang „automatisch“ als Flüchtlinge galten, werden seit zwei Tagen nach Griechenland zurückgeschickt.

Wie sicher ist es im Land wirklich? Noch im November 2015 hatte das Auswärtige Amt ein "düsteres Bild der Lage in Afghanistan gezeichnet", wie es in einem Bericht auf der Internetseite tagesschau.de heißt. Demnach habe eine vertrauliche Analyse des Auswärtigen Amts große Sicherheitsprobleme und massive Menschenrechtsverletzungen aufgelistet, die Zahl der zivilen Opfer liege auf Rekordniveau. Die Lage von Frauen und Kindern beurteilte das Auswärtige Amt als besonders negativ.

Innenminister Thomas de Maizière hatte Anfang Februar 2016 gesagt, es gebe in Afghanistan durchaus sichere Gegenden - dorthin könnten die Menschen gehen. Es könne nicht sein, dass junge Afghanen ihr Land verließen, nur um in Deutschland ein besseres Leben zu suchen. Am selben Tag aß de Maizière in der deutschen Botschaft in Kabul zu Mittag - einige Kilometer weiter riss ein Selbstmordattentäter Dutzende Zivilisten in den Tod.

Auch am Montag sind bei einem Selbstmordanschlag in Afghanistan mindestens 13 Menschen getötet worden, neun Zivilisten und vier Polizisten. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, wurden 19 weitere Menschen verletzt. Ziel des Anschlags in der abgelegenen Bergregion Siagerd rund 60 Kilometer nordwestlich von der afghanischen Hauptstadt Kabul sei ein örtlicher Polizeichef gewesen; der Mann wurde den Angaben zufolge verletzt. Die radikalislamischen Taliban bekannten sich im Kurzbotschaftendienst Twitter zu dem Anschlag.

Auf ihrer Internetseite spricht das Amt eine Reisewarnung für Afghanistan aus: "Vor Reisen nach Afghanistan wird dringend gewarnt. In ganz Afghanistan besteht ein hohes Risiko, Opfer einer Entführung oder eines Gewaltverbrechens zu werden. Auch in der Hauptstadt Kabul können Attentate, Überfälle, Entführungen und andere Gewaltverbrechen nicht ausgeschlossen werden." Deutsche sollen also nicht ins Land reisen, die Afghanen selbst aber dort bleiben.

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