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Aleviten

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Aleviten: Massenprotest gegen ''Tatort''-Folge

Mehr als 15.000 Mitglieder der alevitischen Glaubensgemeinschaft haben heute in Köln gegen den "Tatort"-Krimi "Wem Ehre gebührt" vom vergangenen Sonntag demonstriert. Die Aleviten werfen der ARD vor, Volksverhetzung betrieben zu haben.

Die Protestierenden machten ihrem Ärger mit Transparenten, Pfiffen und Buhrufen vor dem Kölner Dom Luft. "Wir demonstrieren nicht gegen die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit", sagte der Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde Deutschlands (AABF), Ali Toprak, in seiner Rede. "Wir möchten ein Zeichen setzen für die Unantastbarkeit der Würde des Menschen."

Die Aleviten fühlten sich durch die vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) produzierte "Tatort"-Episode "Wem Ehre gebührt", die am 23. Dezember ausgestrahlt wurde, in ihrem Selbstverständnis "tief getroffen und irritiert", so Toprak weiter. Der nach einem Buch und unter der Regie der Kölner Filmemacherin Angelina Maccarone entstandene "Tatort" sei eine "falsch recherchierte und schlecht erzählte Geschichte", sagte auch Mürvet Öztürk, Vorsitzende des Bundes der Alevitischen Frauen.

In dem NDR-Film mit Maria Furtwängler als Kommissarin geht es um einen Inzest-Fall in einer alevitischen Familie. Darin wird die Schwester einer Schwangeren umgebracht, weil sie zur Aufklärung des Falls beitragen will. Die Aleviten werfen den Filmemachern vor, uralte Vorurteile wieder aufleben zu lassen und zu bestätigen. "Die ARD muss sich bei den Aleviten entschuldigen", stand auf den Transparenten vieler Demonstranten. Zuvor hatte bereits die Berliner Gemeinde Strafanzeige gegen die Verantwortlichen des Krimis wegen Volksverhetzung erstattet.

Programmdirektor: fiktionale Darstellung und individuelle Tragödie

NDR-Programmdirektor Volker Herres rief die Aleviten dazu auf, nicht unangemessen zu reagieren, sondern die Kunst- und Rundfunkfreiheit zu respektieren. Dazu gehöre auch, den Vorwurf der Volksverhetzung zurückzunehmen, forderte er in einer Mitteilung. Herres bekräftigte, dass weder der Krimi noch seine Drehbuchautorin religiöse Gruppen diffamieren wollten. Es handele sich bei dieser fiktionalen Darstellung ganz eindeutig um eine individuelle Tragödie, in der das Motiv der Handlung in keiner Weise einem religiösen Milieu zugeschrieben oder gar generalisiert werde.

Toprak und andere Vertreter der Aleviten hatten vor der Kundgebung einem Vertreter des NDR im Funkhaus des Westdeutschen Rundfunks einen Protestbrief übergeben. Erste Gespräche zwischen der Alevitischen Gemeinde und dem NDR seien für den 6. Januar geplant, sagte ein Sprecher der AABF.

Aleviten vertreten eine bestimmte Glaubensrichtung des Islams. Rund 20 Millionen Anhänger leben in der Türkei, etwa 800.000 in Deutschland, die meisten in Nordrhein-Westfalen. Toprak hatte außerdem einen Brief an Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geschrieben. "Wir wissen nicht mehr wo wir hingehören, da sich unsere Erfahrungen aus der Türkei hier in Deutschland fortsetzen", heißt es in dem Schreiben, das auf die Konflikte zwischen Aleviten und Sunniten anspielt.

Steinmeier warnt vor "Kulturkampf"

Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte unterdessen vor einem "religiösen Kulturkampf". "Drehbuchautoren und Künstler müssen wissen: Gegenüber religiösen Gefühlen der Menschen, egal um welchen Glauben es sich handelt, sind Respekt, Umsicht und Behutsamkeit geboten", sagte Steinmeier der "Bild am Sonntag". "Aber dieser Fernsehkrimi hat sich nicht allgemein mit den Aleviten beschäftigt, sondern mit einem Einzelfall. Er darf kein Anlass für einen religiösen Kulturkampf sein."

Grünen-Chefin Claudia Roth zeigte Verständnis für die Protestaktion. Der "Tatort" habe "ein Jahrhunderte altes Vorurteil gegen Aleviten bedient". Von der ARD könne mehr Sorgfalt erwartet werden. (feh/smz/dpa/AFP)

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