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Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin, bei der Bundespressekonferenz am Mittwoch

© dpa / Wolfgang Kumm

Alle haben sie missverstanden: Nancy Faesers Wahrheit über Rassismus

Die Bundesinnenministerin stellt nichts klar zu ihren Äußerungen über einen Berliner Polizei-Einsatz. Sie schafft sich lieber eine Realität, die nur ihre eigene ist.

Jost Müller-Neuhof
Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Stand:

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verdient schon deshalb Sympathie, weil sie die erste Bundesinnenministerin ist, die Deutschland je hatte. Eine Weisheit aus der grauen Männerriege ihrer Vorgänger gilt allerdings weiter: Kommentiere aus dem Amt heraus keine Polizeieinsätze. Die sind regelmäßig Ländersache.

Es gibt wenig Zweifel, dass Nancy Faeser über diese Einsicht verfügt. Trotzdem, sie hielt sich nicht daran. Als sie bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des „Lagebilds Organisierte Kriminalität“ mit Bezug auf einen in einem Video dokumentierten Vorfall aus Berlin gefragt wurde, ob sie es als Rassismus empfinde, wenn ein Polizist bei einem Einsatz sagt „das ist mein Land und du bist hier Gast, du hast dich an unsere Regeln zu halten“, antwortete Faeser: „Nein, das empfinde ich nicht als Rassismus.“

Eine Nebensache vielleicht, aber eine, die ein Amtsverständnis bezeugt: Gib niemals einen Fehler zu – auch wenn es Glaubwürdigkeit kostet

Jost Müller-Neuhof

Rassismus würde nicht geduldet, fuhr sie fort, doch man müsse verstehen, dass Polizeibeamte, „wenn sie solche schweren Formen von Kriminalität auf der Straße erleben“, auch mal eine deutliche Sprache sprechen. Fortan bestimmte eine Ministerin, die Rassisten verteidigt, die Schlagzeilen. Nicht mehr die Organisierte Kriminalität.

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Der Auftritt der Beamten war roh, ihre Worte waren rassistisch

Wer die Bilder und Töne kennt, von denen Faeser da zu sprechen schien, hat weder für die handelnden Polizisten noch für die Ministerin Verständnis. Der Auftritt der Männer war roh, ihre Worte waren abwertend, ausgrenzend – rassistisch.

Faesers Redebeitrag ist beim Sender „Phoenix“ abrufbar. Meinte sie es ernst, wäre ein Rücktritt fällig. Möglich aber, dass sie nur halb hingehört hat bei der Journalistenfrage oder zwar hinhörte, aber den Berliner Fall gar nicht kannte. Oder sie hatte einen Blackout.

Wie geht man damit um? Jedenfalls nicht so wie das Ministerium. Nachfragenden Journalisten schickt es einen Textbaustein, der wie folgt beginnt: „Bundesinnenministerin Faeser ist in der Bundespressekonferenz zum Bundeslagebild Organisierte Kriminalität nicht nach dem konkreten Vorfall in Berlin gefragt worden.“

Amtliche „Fake News“ oder eine Form der Wortklauberei?

Nicht gefragt? Die anwesend gewesenen dürften dies anders im Ohr haben, alle anderen können es bei „Phoenix“ nachhören: Natürlich hatte der Journalist nach Faesers Kommentar zu Worten gefragt, wie sie – konkret – bei dem Berliner Einsatz gefallen sind. Wenn es nicht falsch ist, was das Bundesinnenministerium da nachträglich mitteilen lässt, amtliche „Fake News“ also, dann ist es eine Form der Wortklauberei, die in einer Tatsachenverdrehung mündet. Das Bundesinnenministerium bestreitet, was nicht zu bestreiten ist. Es verleugnet die Realität.

Die Regierung trifft eine Wahrheitspflicht. Statt ihr zu genügen, schafft das Ministerium eine parallele Wahrheit, in der Faeser ihren Satz „Nein, das empfinde ich nicht als Rassismus“ plötzlich nicht mehr auf den Vorgang in Berlin bezogen wissen will. Sie wirft damit allen einen Irrtum vor, die ihre Aussage richtig verstanden haben.

Eine Nebensache vielleicht, aber eine, die ein Amtsverständnis bezeugt, wie es wohl auch viele ihrer Vorgänger pflegten: Gib niemals einen Fehler zu – auch wenn es Glaubwürdigkeit kostet und anmaßend wirkt. Frau Faeser und die alten Ministermänner, hier scheinen sie sich einig.   

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