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ARCHIV - 25.02.2021, Berlin: Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), blickt am Rande eines Interviews mit einem Journalisten der Deutschen Presse-Agentur in die Kamera des Fotografen. (zu dpa "BND-Chef fordert: Unsere Warnungen nicht mehr als «Panikmache» abtun") Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa / dpa/Kay Nietfeld

Als „Panikmache“ abgetan?: BND-Chef fordert, Warnungen der Geheimdienste ernst zu nehmen

Die deutschen Geheimdienste sehen in Russlands Überfall auf die Ukraine auch eine „Kriegserklärung“ an den Westen. In einer Anhörung spricht der BND-Präsident über die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes.

Die Botschaft, die BND-Chef Bruno Kahl zu Anfang der Anhörung sendet, lässt sich leicht zusammenfassen mit: An uns hat es nicht gelegen. Der Bundesnachrichtendienst  habe immer darauf hingewiesen, dass der russische Präsident Wladimir Putin – wie schon in Tschetschenien, Georgien, Syrien, auf der Krim und im Donbass – weiter Gewalt anwenden werde, um seine politischen Ziele durchzusetzen. Die russische Aggression gegen die Ukraine sei für den BND nicht überraschend gekommen.

Es sei aber in den vergangenen Jahren üblich geworden, „reale Bedrohungen immer wieder zu ignorieren und zu verdrängen – und entsprechende Warnungen der Sicherheitsbehörden als Panikmache und Wichtigtuerei abzutun“, moniert der Präsident des Auslandsgeheimdienstes.

Kahl sitzt am Montag gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, und der Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) Martina Rosenberg in einem Sitzungssaal des Bundestages. Einmal im Jahr müssen die Chefs der Geheimdienste dem für die Geheimdienstkontrolle zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium öffentlich Fragen beantworten. Ein Austausch, der sonst hinter verschlossenen Türen stattfindet.

„Brandgefährlicher Kampf“

Auch wenn die Behördenchefs an diesem Montag keine Geheimnisse preisgeben dürfen – die aktuelle Lage beschreiben sie mit drastischen Worten. Der am 24. Februar begonnene Krieg sei eine „Kriegserklärung“ gegen die gesamte westliche demokratische Welt, sagt Kahl. Er selbst hatte sich am Tag des Kriegsausbruchs zu Gesprächen in der Ukraine befunden. „Aus einer schwelenden Systemrivalität ist nun ein brandgefährlicher Kampf geworden“, erklärt Haldenwang.

 Die Geheimdienstchefs Thomas Haldenwang, Martina Rosenberg und Bruno Kahl.
Die Geheimdienstchefs Thomas Haldenwang, Martina Rosenberg und Bruno Kahl.

© IMAGO/Mike Schmidt

Er sagt, der russische Angriff habe unmittelbare Auswirkung auch auf die innere Sicherheit Deutschlands. So habe das BfV schon länger vor einem hohen Niveau an russischer Spionage in Deutschland gewarnt. Die Hemmschwelle für nachrichtendienstliche Operationen werde weiter sinken. Die Bundesregierung habe zwar auch im April 40 russische Spione des Landes verwiesen. „Das waren aber längst nicht alle.“ Der Verfassungsschutz gehe davon aus, „dass es auch in Deutschland weiter russische Illegale gibt“, die als Spione mit falscher Identität lebten.

Das BfV beobachtet zudem die Verbreitung von Kreml-Propaganda in Deutschland durch Influencer und auch deutscher Politiker. Als Beispiel nennt Haldenwang etwa die über soziale Medien verbreitete, frei erfundene Behauptung, in deutschen Bibliotheken würden russische Bücher verbrannt, um Bibliotheken im Winter zu beheizen. Bei Politikern, die „das Lied Putins singen“, sei nicht immer klar, ob dies aus Überzeugung geschehe „oder weil es dafür Geld gibt“.

Kahl: Sehen keine Vorbereitung für Atomwaffeneinsatz

BND-Chef Kahl spricht auch über die Möglichkeit eines Einsatzes von Atomwaffen durch Russland. Man müsse davon ausgehen, dass Atomwaffen „auch als Erstschlagswaffen in der russischen Militärdoktrin ihren Platz haben“. Es gebe sogenannte taktische Atomwaffen, die zur Beeinflussung des konventionellen Kriegsgeschehens auf dem Schlachtfeld vorgesehen seien, um dort die Initiative zurückzugewinnen. Das könne man nicht ausschließen. Kahl sagt aber auch: „Wir sehen momentan keine Vorbereitungen für den Einsatz weder strategischer noch substrategischer Nuklearwaffen.“

Zu anderen aktuellen massiven Bedrohungen zähle auch „ein zur Globalmacht aufsteigendes autokratisches China“, sagt Kahl. MAD-Präsidentin Rosenberg sagt, neben russischen Ausspähaktivitäten seien auch nachrichtendienstliche Aktivitäten Chinas gegen die Bundeswehr „seit Jahren auf hohem Niveau“.

In Fachkreisen heiße es mit Blick auf die Größenordnungen der Bedrohungen schon länger, „Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel“, sagt Haldenwang. Darauf müsse man sich einstellen.

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