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Jens Spahn, Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag, gibt zu Beginn der Sitzung seiner Bundestagsfraktion eine Pressekonferenz.

© dpa/Kay Nietfeld

„Als würde man vorsorglich mal alle Briefe öffnen“: Unionsfraktion gegen anlasslose Kontrolle von Chats

Die EU berät darüber, wie sich Darstellungen von Kindesmissbrauch im Internet möglichst verhindern lassen. Ein Vorschlag: die anlasslose Überwachung von Chats. Union und SPD lehnen dies ab.

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Besorgt wurde erwartet, wie sich die deutsche Bundesregierung zur Chatkontrolle positioniert. Denn ob der neueste Vorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft auf EU-Ebene durchkommt oder nicht, wird maßgeblich von der deutschen Position abhängen.

Jetzt hat sich der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jens Spahn dazu öffentlich geäußert: Die Unionsfraktion ist „gegen die anlasslose Kontrolle von Chats“. Dies werde es mit ihnen nicht geben, sagte er im Anschluss an die Fraktionssitzung am Dienstag. „Das wäre so, als würde man vorsorglich mal alle Briefe öffnen und schauen, ob da etwas Verbotenes drin ist“, sagte Spahn.

Gleichzeitig sei klar, dass man Kindesmissbrauch bekämpfen und ahnden können müsse. Deswegen sei es gut, dass die Europäische Union sich des Themas annehme. Am Ende müsse es aber gelingen, dass eine geplante Verordnung Kinder schütze, ohne die Sicherheit und die Vertraulichkeit individueller Kommunikationen zu gefährden.

Mit der europäischen CSA-Verordnung soll eigentlich gegen die Verbreitung von Darstellungen von Kindesmissbrauch im Internet vorgegangen werden. Nachdem die EU-Kommission 2022 einen Vorschlag dazu vorgelegt hatte, wird im EU-Rat kontrovers diskutiert.

Immer wieder wurden verschiedene Vorschläge der jeweiligen Ratspräsidentschaft abgelehnt, aktuell steht einer von dänischer Seite zur Debatte. Darin finden sich das sogenannte „Client Side Scanning“, Hintertüren und auch die Suche nach unbekanntem Bildmaterial, was de facto eine Massenüberwachung von Kommunikation bedeuten würde – ob im Einzelfall ein „Anlass“ vorliegt oder nicht.

Auf europäischer Ebene sollte der Vorschlag offiziell am 14. Oktober im Rat der Telekommunikationsminister abgestimmt werden, inoffiziell sollten die Länder sich schon in dieser Woche positionieren. Ob Deutschland sich wirklich enthält oder den Vorschlag ablehnt, ist offiziell noch nicht bekannt.

Die Koalition hatte sich vorgenommen, sich bei solchen Abstimmungen seltener zu enthalten. Am Dienstagabend zeichnete sich ab, dass CDU, CSU und SPD die Chatkontrolle nicht für die optimale Lösung halten, erfuhr Tagesspiegel Background aus Parlamentskreisen.

Bedenken auch bei SPD und Justizministerin

Die SPD begrüßte am Mittwoch die Äußerungen Spahns. Es sei gut, dass sich die Union den Bedenken anschließe, sagte SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede. Sie verwies auch auf Vorbehalte von Justizministerin Stefanie Hubig (SPD). „Der Schutz von Kindern ist zentral, aber verdachtslose Überwachung privater Kommunikation ist der falsche Weg“, betonte Eichwede. Sie fügte hinzu: „Wir brauchen wirksame Ermittlungsinstrumente, die Grundrechte achten und zielgerichtet gegen Täter wirken und nicht gegen alle Bürgerinnen und Bürger.“

Mehr Klarheit könnte aus der Sitzung des Digitalausschusses folgen, dort steht die Position der Bundesregierung am Mittwoch ebenfalls auf der Agenda. Druck auf die Regierung wollten auch die Grünen mit einem Entschließungsantrag aufbauen.

Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, sich gegen eine anlasslose Kontrolle zu positionieren, aber auch gegen Verpflichtungen, die etwa zur Kontrolle von Uploads führen könnten. Am Donnerstag steht das Thema außerdem auf der Tagesordnung des Bundestags, die AfD hatte eine Aktuelle Stunde beantragt.

In den vergangenen Wochen hatten sich verschiedene Messenger-Anbieter wie WhatsApp und Threema kritisch zu dem Vorhaben geäußert. Signal-Chefin Meredith Wittaker kündigte sogar einen möglichen Rückzug aus dem europäischen Markt an (Tagesspiegel Background berichtete).

Wirtschaftsvertreter wie der Verband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche (Bitkom) und der Eco-Internetverband positionierten sich ebenfalls dagegen, genau wie der Kinderschutzbund und viele zivilgesellschaftliche Organisationen.

Am Dienstag hatten weitere 40 Internetunternehmen aus ganz Europa und der europäische Verband Digital SME Alliance einen offenen Brief an die EU-Minister veröffentlicht, in dem sich die Unterzeichnenden ebenfalls gegen die Chatkontrolle aussprechen. (mit dpa)

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