zum Hauptinhalt
Der Deutsche Bundestag. Künftig kleiner.

© dpa/Christoph Soeder

Ampel-Modell zur Wahlrechtsreform: Nichts Halbes und nichts Ganzes

Die Koalition zieht ihr Wahlrechtsgesetz durch - mit kurzfristigen Änderungen. Die letzte Konsequenz aber fehlt dieser Reform.

Ein Kommentar von Albert Funk

Die Wahlrechtsreform der Ampel ist nicht schlecht. Aber richtig gut ist sie auch nicht. Sie ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Sie gibt vor, etwas Neues zu schaffen. Aber sie klebt am bisherigen Wahlsystem. SPD, Grüne und FDP haben sich nicht durchringen können, einen Reformentwurf vorzulegen, der über alle Zweifel erhaben ist. Und zudem auch so wirkt, als sei er aus einem Guss.

Dass die Ampel nun auf ihre eigene Mehrheit setzt statt auf den großen Konsens aller Fraktionen im Bundestag, ist nicht nur ihr gutes Recht. Angesichts der doch etwas absonderlichen Haltung der Unions-Fraktion (und auf die vor allem wäre es bei einem Konsens-Modell ja angekommen) ist es auch politisch sinnvoll. Zu sehr hängen CDU und CSU an einem Wahlrechtsmodell, das die anderen Fraktionen nicht wollen – eben eines, welches das Parteienverhältnis nicht korrekt abbildet.

Nun soll die unverzerrte Verhältniswahl kommen, die außer der Union alle anderen Parteien befürworten. Auf den letzten Metern hat die Ampel noch Änderungen angekündigt. Bei 630 statt 598 Sitzen soll nun die feste Größe des Bundestags liegen, um so einen hinnehmbaren Makel des neuen Systems abzumildern: Es soll weniger Wahlkreise geben, die keinen Direktvertreter im Parlament haben oder ganz „verwaist“ sind. Aber der Effekt ist eher gering. In der Abwägung zwischen dem Nachteil eines wieder größeren Bundestags und dem Vorteil der Abmilderung hätte die Koalition sich (und allen Wählern) das ersparen können.

Merkwürdige Regelung

Dass die Grundmandatsklausel fallen soll, ist einerseits konsequent. Denn die merkwürdige Regelung, dass eine Partei, welche unter fünf Prozent bleibt, dennoch ins Parlament einzieht, wenn sie drei Direktmandate gewinnt, war schon immer ein Kuriosum ohne jede Berechtigung. Im Ampel-System ist sie erst recht ein systemfremdes Teilchen.

Was dann andererseits verwundert, ist die Tatsache, dass die Ampel weiterhin parteilose Wahlkreisbewerber vorsieht. Sie passen eigentlich nicht in ein System, in dem die Verhältniswahl dominiert. Denn in welches Verhältnis sollen sie gesetzt werden? Da die Ampel weiterhin Mehrheitswahl zur Besetzung eines Großteils der Sitze (über die Wahlkreise) vorsieht, hat sie sich offenbar veranlasst gesehen, Einzelbewerber zuzulassen. Auch gibt es ein älteres Urteil aus Karlsruhe, das in diese Richtung deutet. So ist diese Regelung ein Ergebnis der Inkonsequenz der Ampel-Reform.

Und das Dumme ist: Gewinnen solche Unabhängigen und Parteilosen mal einen Wahlkreis, dann bekommen sie ihr Direktmandat auf jeden Fall. Bewerber und Bewerberinnen von Parteien haben diese Direktmandatsgarantie jetzt nicht mehr. Das ist ein Gleichheitsverstoß und damit wohl verfassungswidrig. Der Verweis, dass Einzelkandidaten so gut wie nie seit 1949 erfolgreich waren, verfängt da nicht. Im Verfassungsrecht geht es ums Prinzip. Will die Ampel auf dem Weg der Union den Weg nach Karlsruhe ebnen? Es sieht so aus.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false