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Bleibt er oder geht er: Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer. Germany OUT

© AFP/dpa/Sven Hoppe

Streit in der Union: Angela Merkel und Horst Seehofer in der Zwickmühle

Stimmt die CSU dem Gipfelergebnis nicht zu, ist die Union am Ende. Die deutsche Union. Die europäische womöglich wenig später. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Diese Union in ihrem Streit – bizarr. Denn das Ergebnis des EU-Gipfels klingt wie CSU-Politik. Noch nicht endgültig, aber auf dem Weg dorthin. Angela Merkel wird nicht mehr behaupten können, ihr Kurs sei unverändert und allein von Humanität getragen. Kanzlerin der Herzen, das war einmal. Das Sommermärchen – lange vorbei. Nur den Satz „die CSU hatte recht“ will die Kanzlerin nicht aussprechen.

Merkel im Herbst ihrer Kanzlerschaft: Sie macht alles für die Erhaltung der Macht. Das ist doch der Gipfel: mehr Schutz der EU-Außengrenzen, Regeln für private Retter, Lager für Flüchtlinge in Nordafrika, Lager in Südeuropa, Kampf gegen das Weiterreisen von Migranten. Europa soll Festung werden. Die CSU könnte jubeln. Die AfD gleich mit.

Wobei da Vagheiten sind. Der Diplomatensprech verrät, dass es sich um Absichtserklärungen handelt. Die können auf der Zeitschiene wahr werden. Können. Nicht müssen – und fürs Verzögern ist das institutionelle Europa bekannt.

Dazu passen die prompten Einsprüche. Polen, Ungarn und Tschechen wollen von Sonderregelungen nichts wissen. (Am Rande: Vielleicht, wenn es ordentlich Geld gibt. Allerdings muss der Genosse Finanzminister Olaf Scholz noch überzeugt werden.) Dann haben Marokko und Tunesien bereits erklärt, keine Lager auf ihrem Gebiet zu wollen. Ob Länder in Südeuropa – nehmen wir das in dieser Hinsicht besonders wichtige Italien – dazu bereit sind, Flüchtlinge zurückzunehmen, ist nicht sicher.

Wer am lautesten aufbegehrt, bestimmt die Härte?

Die Solidarität bei der Verteilung von Asylbewerbern bleibt freiwillig. Damit bleibt die Last bei denen, die sie jetzt schon tragen, Italien, Griechenland und Deutschland. Was zusammengefasst heißt: Der Weg ist das Ziel. Hier endet dann der Jubel der CSU. Die wollte mehr, und viel mehr Konkretes. Wie die Zurückweisung von Flüchtlingen an der nationalen Grenze. Notfalls allein.

Aber auch für die Freunde Merkelscher Migrationspolitik von einst ist das Gipfelergebnis eine Herausforderung. Nur umgekehrt: weil es wie ein Wettlauf um die härteste Politik gegen Flüchtlinge klingt. Wer am lautesten aufbegehrt, bestimmt die Härte? Da endet jeder Romantizismus bei der Betrachtung der aktuellen Politik der Christen-Union.

So sind die beiden in die Zwickmühle geraten. CSU-Chef Horst Seehofer hat erklärt, es gehe um die Glaubwürdigkeit seiner Politik. Wenn das der Maßstab ist… Stimmt die CSU zu, ist das vor dem Hintergrund vager EU-Absprachen faktisch unglaubwürdig. Vielmehr wäre es der Nachweis, dass es Seehofer wohl doch nicht nur um die Sache ging, sondern darum, Merkel auf die Knie zu zwingen. Aber: Stimmt die CSU nicht zu, ist die Union am Ende. Die deutsche Union. Die europäische womöglich wenig später.

Im Bund mag die CSU in Sachsen und Thüringen etliche Anhänger finden. Doch das Beispiel DSU aus der Nachwendezeit lehrt, dass das kein Schlüssel zum großen Erfolg ist. Zumal Christdemokraten und ihre Anhänger für eine Politik, die klingt wie die von der AfD, weniger anfällig sind; CDUler sind eher sozialdemokratisch als auch nur in Anklängen rechtspopulistisch. Wenn die CSU trotzdem die Disruption wählt, dann wählt sie auf mittlere Sicht ihr Ende. Mindestens ihre Abwahl in Bayern. Merkel könnte da jetzt sagen: Geht doch! Sie war ja schon nahe dran. Merkel am Rande zum Mut. Das wär mal was.

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