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Schmierereien an Grabsteinen auf dem jüdischen Friedhof in Kröpelin (Landkreis Rostock).

© picture alliance / Bernd Wüstnec

Exklusiv

Antisemitismus in Deutschland: Jede zweite Woche wird ein jüdischer Friedhof geschändet

Die Polizei hat 2018 insgesamt 27 Angriffe auf die letzten Ruhestätten von Juden registriert. Nur drei Taten wurden aufgeklärt.

Von Frank Jansen

In der Bundesrepublik wird mindestens jede zweite Woche ein jüdischer Friedhof geschändet. Die Polizei stellte nach Informationen des Tagesspiegels im vergangenen Jahr insgesamt 27 antisemitisch motivierte Angriffe auf die letzten Ruhestätten von Juden fest. Nur drei Fälle konnte die Polizei aufklären. Das ergibt sich aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke). Etwas geringer ist die Zahl der Attacken auf Synagogen. Das Ministerium berichtet für 2018 über „21 antisemitische Straftaten mit dem Angriffsziel ,Religionsstätte/Synagoge‘“. Bei lediglich fünf Delikten gelang es der Polizei, Täter zu ermitteln. Die Antwort des Ministeriums liegt dem Tagesspiegel vor.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, reagiert bitter. „Regelmäßige Schändungen von jüdischen Friedhöfen und Angriffe auf Synagogen sind leider Alltag in Deutschland“, sagte Schuster dem Tagesspiegel. Vielen nicht-jüdischen Bürgern sei dies vermutlich gar nicht bewusst.

„Deutschland darf sich nicht an diese Situation als Normalzustand gewöhnen“, betonte Schuster. Er mahnte auch die Sicherheitsbehörden zu mehr Wachsamkeit. „In der präventiven polizeilichen Überwachung von jüdischen Friedhöfen, die sich oft außerhalb von Ortschaften befinden, sehe ich Nachbesserungsbedarf. Denn die geringe Aufklärungsquote ist erschreckend.“  

Um Antisemitismus gezielter und nachhaltiger bekämpfen zu können, sollten „generell mehr niedrigschwellige Meldestellen und eine differenziertere polizeiliche Statistik eingeführt werden“. Die Kritik an der Statistik bezieht sich auf die Bilanzen der Polizei zu antisemitischer Kriminalität insgesamt. Die meisten Straftaten werden dem Rechtsextremismus zugeordnet. Aus Sicht des Zentralrats und weiterer jüdischer Institutionen legt sich die Polizei bei den Ermittlungen zu schnell auf ein rechtsextremes Delikt fest und übersieht Tatverdächtige aus den Milieus von Migranten, Islamisten und weiteren Judenhassern.

Besonders betroffen sind Bayern und Baden-Württemberg

Die meisten Schändungen jüdischer Friedhöfe, insgesamt fünf, meldete Baden-Württemberg. Es folgen Bayern (vier), Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen (je drei), Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen (je zwei) sowie Rheinland-Pfalz, das Saarland und Thüringen mit je einem Angriff. In den anderen fünf Bundesländern blieben die jüdischen Friedhöfe verschont. Nur bei den drei Schändungen in Brandenburg konnte die Polizei die Täter ermitteln.

Bei den Angriffen auf Synagogen und weitere jüdische Religionsstätten wurde Bayern mit vier Vorfällen in München, Bamberg und Ingolstadt am stärksten getroffen. Je drei Attacken registrierte die Polizei in Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt, je zwei in Berlin, Hessen, Brandenburg und Baden-Württemberg. In Niedersachsen, dem Saarland und in Thüringen wurden je eine jüdische Gebetsstätte angegriffen. Bei den fünf Straftaten, die aufgeklärt wurden, handelt es sich um zwei Attacken in Bayern, eine in Nordrhein-Westfalen und die in Niedersachsen und dem Saarland.

Welchem ideologischen Spektrum die Taten zuzurechnen sind, sagt das Innenministerium weder bei den Schändungen der Friedhöfe noch bei den Angriffen auf Synagogen.

Im Jahr 2017 hatte die Polizei 27 Angriffe auf jüdische Gotteshäuser und 20 Schändungen von Friedhöfen festgestellt. Auch damals war die Aufklärungsquote niedrig. Die Polizei konnte bei vier Attacken auf Synagogen die Täter ermitteln und im Fall eines angegriffenen Friedhofs.

Die Gesamtzahl der Schändungen jüdischer Friedhöfe seit dem Jahr 2000 erhöht sich mit den neuen Angaben auf mehr als 750 Fälle. Die Summe ergibt sich aus den Statistiken der Polizei. In Deutschland gibt es ungefähr 2000 jüdische Friedhöfe. Eine vergleichbare Bilanz zu den Angriffen auf Synagogen ist wegen fehlender Daten nicht möglich. 

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