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Premierminister Boris Johnson steht mit den Medien auf Kriegsfuß.

© REUTERS/Hannah McKay

Auf Kriegsfuß mit den Medien: Boris Johnson will BBC drastisch umbauen

Schwere Zeiten für den öffentlich-rechtlichen Sender: Der Premier will die BBC mehr oder weniger zerschlagen - dabei war er selbst mal Journalist.

Er war Korrespondent in Brüssel, Kolumnist und Herausgeber eines politischen Magazins: mehr als 25 Jahre lang war Boris Johnson Journalist - doch mittlerweile steht er als Premierminister mit vielen Medien auf Kriegsfuß.

Laut einem Bericht der englischen Tageszeitung „Sunday Times" will der 55-Jährige den öffentlich-rechtlichen Sender BBC drastisch umbauen. Die Zeitung beruft sich auf ein internes Papier. Demnach soll die allgemeine Rundfunkgebühr für die BBC abgeschafft werden und durch ein Abomodell ersetzt werden.

Außerdem soll ein großer Teil der Radiostationen verkauft, die Zahl der Fernsehkanäle verringert und bei der Webseite eingespart werden. 2027 könnten die Änderungen in Kraft treten. Erst kürzlich hatte die BBC einen Abbau von 450 ihrer weltweit rund 6000 Stellen verkündet.

Bereits im Wahlkampf hatte Johnson angekündigt, die Gebührenfinanzierung der BBC im Falle eines Wahlsiegs überprüfen zu wollen. Damals sagte er: Wie lange kann man ein System rechtfertigen, bei dem jeder, der einen Fernseher hat, eine bestimmte Reihe von Fernseh- und Radiosendern bezahlen muss - das ist die Frage.“

Johnsons Methoden erinnern an Trump

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Boris Johnson mit den Medien anlegt. Erst Anfang Februar hatte die Johnson-Regierung den Zorn der britischen Politikjournalisten erregt - kollektiv auch „die Lobby“ genannt - als sie Reporter kritischer Medien wie dem „Mirror“ oder dem „Independent“ von einem Hintergrundgespräch ausschlossen. Als Reaktion darauf boykottierten auch die zugelassenen Journalisten anderer Medien wie der „Financial Times“ oder des „Guardian“ das Gespräch.

Johnsons Methoden erinnern in ihrer Rigorosität immer mehr an US-Präsident Donald Trump: Wer kritisch über ihn berichtet, wird ausgesperrt und eingeschüchtert.

Johnsons Team verneint zwar jeden Versuch der Einflussnahme auf die Presse; die Vorfälle häufen sich aber. So hat der Premierminister laut Beschwerden von Redakteuren seinen Ministern Auftrittsverbote für bestimmte Fernseh- und Radioprogramme erteilt. Dazu gehört beispielsweise die Sendung „Today“ auf BBC Radio 4, der Regierungsinsider eine einseitige Anti-Brexit-Berichterstattung vorwerfen. Dazu gehört auch der TV-Sender Channel 4, der Johnson nach seinem Nicht-Erscheinen bei einer Debatte zum Klimawandel durch einen schmelzenden Eisblock ersetzt hatte.

Johnson umgeht klassische Medien

Und während des Wahlkampfs Ende vergangenen Jahres verweigerte Johnson als einziger Parteichef ein Interview mit dem für seinen aggressiven Fragestil bekannten Andrew Neil von der BBC - ein Gespräch, bei dem keiner seiner Kontrahenten eine gute Figur abgab.

Die BBC in London.
Die BBC in London.

© REUTERS/Henry Nicholls

Immer öfter versucht Johnson stattdessen, die klassischen Medien zu umgehen: So hält er in Anlehnung an die Fragestunden im Parlament sogenannte „People's PMQs“ (Fragen des Volks an den Premierminister) ab, bei denen von seinem Team ausgewählte Bürger Fragen stellen dürfen. Die Antworten veröffentlicht Johnson auf Facebook.

Auch seine Ansprache und die Feier anlässlich des Brexits Ende Januar ließ Johnson nicht traditionsgemäß von unabhängigen Kameraleuten aufzeichnen. Stattdessen filmte und fotografierte sein eigenes Kommunikationsteam und stellte den Medien das vorproduzierte Material später zur Verfügung.

Einschüchterungen gehören zum Programm

Doch Johnson belässt es nicht nur beim Aussperren von Journalisten; auch Einschüchterungen gehören mittlerweile regelmäßig zum Programm. So ließen Johnsons Berater nach der Eisblock-Aktion von Channel 4 durchsickern, dass sie dem Sender die Lizenz entziehen könnten.

Und erst vor wenigen Tagen verkündeten sie, ein „Netzwerk von Spionen“ in den Restaurants rund um das Londoner Regierungsviertel in Westminster aufgebaut zu haben - um nachzuvollziehen, welche Regierungsmitarbeiter mit welchen Journalisten Essen gehen.

Johnsons ständige Kritik an der angeblich einseitigen Berichterstattung vieler Medien angesichts seiner eigenen Vergangenheit besonders fragwürdig. So verlor er seinen ersten Job bei der „Times“, weil er ein Zitat gefälscht hatte. Auch bei seinen europakritischen Artikeln aus Brüssel für den „Telegraph“ sowie den Kolumnen für den „Spectator“ und den „Telegraph“ nahm es Johnson mit der Wahrheit nicht immer so genau. Der Journalist Johnson verteidigte sich gegen entsprechende Vorwürfe stets mit Verweis auf die Pressefreiheit - ein Privileg, das der Premierminister Johnson seinen Ex-Kollegen anscheinend nicht mehr zugestehen will. (Tsp/AFP)

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