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Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee.

© dpa/Bodo Schackow

Exklusiv

Themen nicht „rechts liegen lassen“: Konservative aus Thüringens SPD fordern „pragmatische und ideologiefreie Politik“

Konservative SPD-Genossen aus dem Osten plädieren für eine restriktivere Migrationspolitik und einen starken Staat. Dafür haben sie den Kreis „Seeheimer Thüringen“ gegründet. Mit dabei ist auch Wolfgang Tiefensee.

Ein gutes halbes Jahr vor der Landtagswahl fordern Sozialdemokraten in Thüringen ihre gesamte Partei auf, die „Mehrheitsgesellschaft“ stärker in den Blick zu nehmen. Sie rufen nach einer restriktiveren Migrationspolitik und einer konsequenteren Durchsetzung von „Recht und Ordnung“.

„Es ist nicht die Zeit, Themen allein deshalb ,rechts liegen zu lassen’, weil man sich von rechts nicht treiben lassen will,“ heißt es im Gründungsdokument der „Seeheimer Thüringen“, das dem Tagesspiegel vorliegt. Die Gruppe konstituierte sich am 10. Januar in Erfurt.

Zu ihr zählen Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee, Forschungs-Staatssekretärin Katja Böhler, Gothas OB Knut Kreuch sowie Abgeordnete aus Bundestag und Thüringer Landtag (alle SPD). Thüringens SPD-Chef und Spitzenkandidat, Innenminister Georg Maier, gehört nicht zu den Gründern.

Gefühlt oder tatsächlich wird Recht und Ordnung zu wenig durchgesetzt.

Aus dem Gründungspapier der „Seeheimer Thüringen“

Den konservativen Seeheimer Kreis in der SPD auf Bundesebene gibt es seit knapp 50 Jahren. Er ist, neben der Parlamentarischen Linken und dem Netzwerk Berlin, einer von drei Flügeln in der SPD-Bundestagsfraktion. Er steht für eine eher konservative Ausrichtung.

Forderung nach einer pragmatischen Politik

Die Gesellschaft sei „offenbar gefühlt oder tatsächlich mit der Anzahl von Migrantinnen und Migranten überfordert“, heißt es in dem 31-seitigen Dokument. „Die Begrenzung und Steuerung der Migration durchzusetzen“ zählt zu den zentralen Zielen der „Seeheimer Thüringen“. Die Akzeptanz der Migrationspolitik, heißt es, „schwindet in atemberaubender Geschwindigkeit und bis hinein in bisher überaus tolerante Kreise“.

„Gefühlt oder tatsächlich wird Recht und Ordnung zu wenig durchgesetzt“, stellen die SPD-Politiker fest. Dies beginne bereits in der Schule, wo Eltern und Schüler es an Respekt und Anstand für die Lehrer vermissen ließen. „Die arbeitende Mitte klagt über mangelnde Wertschätzung“, heißt es in dem Gründungsdokument.

Wir Sozialdemokraten, ob in Erfurt oder Berlin, müssen stärker auf das hören, was die Mehrheit der Gesellschaft umtreibt und auf dieser Basis beherzte Entscheidungen treffen.

Wolfgang Tiefensee (SPD), Wirtschaftsminister von Thüringen

Die konservativen SPD-Politiker fordern eine „moderne, pragmatische und ideologiefreie Politik“. Es gelte, „die Mehrheitsgesellschaft in den Blick zu nehmen, die Probleme der Menschen beim Namen zu nennen und für Lösungen zu sorgen“.

„Nulltoleranz“ für Antisemiten

Beim Thema Integration heißt es: „Wir verfolgen eine Nulltoleranz gegenüber denjenigen Menschen, die unsere demokratischen Werte nicht anerkennen, antisemitisch oder israelfeindlich orientiert sind oder ihre regionalen Konflikte in Deutschland ausleben“.

„Wir Sozialdemokraten, ob in Erfurt oder Berlin, müssen stärker auf das hören, was die Mehrheit der Gesellschaft umtreibt und auf dieser Basis beherzte Entscheidungen treffen“, sagte Thüringens Wirtschaftsminister Tiefensee dem Tagesspiegel: „Wir brauchen eine aktive Zivilgesellschaft. Aber vor allem dürfen wir nicht die aktuellen Themen rechts liegen lassen, müssen vielmehr ohne Scheuklappen und pragmatisch überfällige Entscheidungen bei Migration, Klimapolitik und Sicherheit angehen.“

Politik müsse sich „stärker als bislang für die Interessen der Mehrheitsgesellschaft einsetzen, die Probleme benennen, pragmatisch Lösungen suchen und zügig entscheiden“. Die Seeheimer Thüringen zielten auf „die Mitte der Gesellschaft, weniger auf spezifische Einzelinteressen kleiner Gruppen“.

Co-Gründerin Katja Böhler sagte dem Tagesspiegel: „Wir Ostdeutsche haben 1989 unsere Freiheit erkämpft. Wir wollen, dass uns diese Freiheit erhalten bleibt und dass Menschen sich sicher fühlen.“ Dafür müssten Rechtsstaat und seine Institutionen gestärkt werden, denn nur der Staat könne die Durchsetzung der Grundrechte garantieren.

Die SPD-Politikerin sagte weiter: „Wir brauchen eine Migrationspolitik, die das Recht auf Asyl nicht aushöhlt, aber besser steuert. Diese Steuerung muss bereits außerhalb der EU-Grenzen einsetzen.“ Gefragt sei „eine am Machbaren orientierte Klimapolitik, die die Menschen nicht überfordert, die die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nicht gefährdet, sondern erhöht“.

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