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Politik: Aus dem Biotop

Von Gerd Nowakowski

Berlin hat es vorgemacht. Vor der Machtübernahme im Bund gab es die Wende in Berlin. Das war 1980, die Stadt war noch geteilt. Aber bevor Helmut Kohl 1982 am Rhein Bundeskanzler wurde, hatte Richard von Weizsäcker an der Spree vorgemacht, wie man eine scheinbar fest den Sozialdemokraten gehörende Millionenstadt für die Union erobert. Weizsäcker brachte starke Helfer mit. Norbert Blüm gehörte dazu, Rupert Scholz, Elmar Pieroth oder Ulf Fink. Sie wurden später starke Bundesminister oder besetzten wie der Sozialreformer Fink mit ihren Stichworten für viele Jahre traditionelle Felder der SPD. Doch Weizsäcker konnte später seine Karriere nur deswegen als Bundespräsident krönen, weil in Berlin zwei strategisch das Feld für ihn bereitet hatten: Eberhard Diepgen und Klaus Landowsky hatten aus dem Honoratiorenverein eine schlagkräftige liberale Großstadtpartei gemacht, die die SPD das Fürchten lehrte. Es folgten insgesamt fünfzehn Jahre Diepgen. Bis zum bitteren Ende als Folge des Bankenskandals.

Lang her. Jetzt ist die Berliner CDU tief unten – und der BundesCDU ziemlich egal. Das ist ein Fehler. Nächstes Jahr will Angela Merkel das Bundeskanzleramt erobern. Ohne eine Strategie, mit der man auch die Menschen in den Großstädten begeistern kann, wird das nicht gehen. In Berlin kann die CDU verhindern, dass die PDS ihre Direktmandate für den Einzug in den Bundestag holt. Deswegen darf Merkel nicht gleichgültig sein, wie sich die Partei in der Hauptstadt um Kopf und Kragen intrigiert.

Dabei könnte die Union durchaus erfolgreich sein. Die Berliner CDU hat keinen Vorsitzenden, der immer wie ein großer Gymnasiast wirkende Fraktionschef im Abgeordnetenhaus ist nahezu unbekannt und die Partei ohne Ideen. Trotzdem ist die Union nach jüngsten Meinungsumfragen die stärkste Partei der Stadt, in der im Herbst 2006 gewählt wird – ein Phänomen. Die Umfrage zeigt, wie groß das Potenzial für eine bürgerliche Partei sein könnte. Wenn es denn ein klares Kontrastprogramm zum Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und seinem rot-roten Senat gäbe.

Was die Stadt braucht, sind ein neuer Diepgen, ein neuer Landowsky, nicht die Nachhutgefechte der Funktionäre einer Klientelpartei, die sich aufführt, als sei die Stadt noch das West-Berliner Polit-Biotop aus Mauerzeiten. Darüber ist die Zeit hinweg, das stößt die Berliner ab. Vor allem die Neuberliner, die demografisch den Untergrund der Hauptstadt längst unverrückbar verändert haben. Sie ist keine Arbeiterstadt mehr, die Industrie seit dem Mauerfall weitgehend verschwunden; dafür wächst der Dienstleistungssektor stark. Andererseits ist mit den mehreren hunderttausend Menschen, die seit 1989 neu nach Berlin gekommen sind, eine liberal-bürgerliche Klientel gewachsen, die soziale Werte hoch schätzt. Und strukturell mehrheitsfähig ist. Die Union hat für diese Neuberliner aber keine Konzepte zu bieten, sondern nur kleinkarierten Streit eitler Kiezfürsten. Da wird jeder mögliche Koalitionspartner verprellt, Blaugelbe wie Grüne.

Sich selbst auf kluge Weise zurückzunehmen, das wäre die Aufgabe der Statthalter an der Spitze der Berliner Union; und in der Zwischenzeit bis zur Wahl das Feld zu bereiten für eine Identifikationsfigur. Mit tatkräftiger Hilfe der Bundespartei. Kleines Hindernis: Die Einsicht fehlt bei den Bezirksfürsten, wie verzweifelt die eigene Lage ist. Im Gegenteil, die fühlen sich alleine stark. Wer in solcher Lage abwertend über eventuelle Spitzenkandidaten wie Klaus Töpfer schwadroniert, den hoch angesehenen UN-Direktor für Umwelt, der zeigt aber keine Überlegenheit, sondern nur, wie wenig die strukturellen Probleme begriffen wurden.

Die Bundes-CDU will Deutschland erobern. Dafür muss sie nicht nur in den Flächenländern gewinnen, sondern auch die Städte. Ohne das, jawohl, schwierige Berlin, wird das nicht gelingen. Daran sollte die CDU kein Interesse haben? Einen Plan für die Hauptstadt schmieden, mit den besten Köpfen der Bundespartei in einer Arbeitsgruppe – das wär ein Signal für Berlin. Die Frage eines Spitzenkandidaten wird sich dann von selbst lösen. Wie damals bei Weizsäcker.

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