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Vergangenheit und Gegenwart in einem Foto: Silvio Berlusconi letzte Woche im Senat mit seiner aktuellen Vertrauten Licia Ronzulli (neben ihm) und Parteifreundin Stefania Craxi, Tochter von Bettino Craxi, der als Premier Berlusconis Medienimperium in den 1980er Jahren aufbauen half.

© imago/Massimo Di Vita

Update

Vor dem Aus?: Meloni weist Berlusconi in die Schranken

Fast 30 Jahre lang dominierte der Ex-Cavaliere Italiens Politik. Die designierte Ministerpräsidentin Meloni will diese Ära beenden. Er ist schwer angeschlagen.

Stand:

Sein Abgang von der politischen Bühne ist schon oft prophezeit worden: Die vielen Skandale, seine Prozesse - nur einer führte zur Verurteilung -, die Verbannung aus dem Parlament deswegen, sogar der Titel eines Cavaliere, eines „Ritters der Arbeit“, wurde ihm aberkannt. Auch auf sein hohes Alter setzte man. Silvio Berlusconi ist im September 86 Jahre alt geworden.

Doch „der Kaiman“, „Berluskaiser“, er blieb. Und nahm nach der Wahl am 25. September sogar sichtlich zufrieden wieder seinen Sitz in der zweiten Parlamentskammer ein, dem Senat. Er werde „der Regisseur“ des Rechtsbündnisses sein, hatte er noch vor der Wahl getönt, obwohl die Umfragen seine „Forza Italia“ (FI) da längst weit abgeschlagen hinter Melonis „Fratelli d’Italia“ sahen. Das Ergebnis bestätigte die Demoskopie. Berlusconi bringt etwas über acht Prozent in die Regierung ein, sogar noch weniger als der Dritte im Bunde, Matteo Salvini und seine Lega (knapp neun Prozent).

Die FdI-Chefin schließt auch Neuwahlen nicht aus

Doch Giorgia Meloni zeigte sich seinen Wünschen gegenüber nahezu taub. Kurz vor dem Wochenende nun krachte es zwischen dem alten und der künftigen Premier. Da verweigerte Berlusconi ihr erst die Stimmen seiner Fraktion für ihren Kandidaten im Parlamentspräsidentenamt, zugleich die erste und entsprechend mit Spannung erwartete Personalentscheidung des Rechtsbündnisses.

Eins fehlt auf Berlusconis Liste: Ich bin nicht erpressbar.

Giorgia Meloni, designierte italienische Ministerpräsidentin

Am Tag darauf beleidigte er sie in maximaler Öffentlichkeit: Die römische Zeitung „La repubblica“ veröffentlichte das Foto eines Notizzettels, den Berlusconi wie zufällig auf dem Pult im Senat deponiert hatte, gut sichtbar für die Kameraleute: „Giorgia Meloni“ war darauf zu lesen. „Ein Benehmen: 1. eingebildet 2. überheblich 3. arrogant 4. beleidigend. Keine Bereitschaft einzulenken. Eine, mit der man sich nicht vertragen kann.“

Den Punkt „5. lächerlich“ hatte der Autor durchgestrichen. Meloni, von einem TV-Journalisten darauf angesprochen, reagierte knapp: Auf der Liste fehle ein Punkt: „Ich bin nicht erpressbar.“ Im kleinen Kreis, so war zu lesen, erweiterte sie die Kampfansage an den alten Strippenzieher sogar : Sie sei bereit, bis zum Äußersten zu gehen, um eine aus ihrer Sicht vertrauenswürdige Regierung durchzubringen - notfalls auch in eine Neuwahl.

Vor allem Berlusconis Vertraute Licia Ronzulli will sie auf keinen Fall an ihrem Kabinettstisch. Dort sollen sich, als Zeichen fürs In- wie Ausland, nach dem Willen der designierten Premier vor allem untadelige Fachleute versammeln und niemand, der oder die sich vor allem durch Treue zu den Parteioberen auszeichnet. Ronzulli, gelernte Krankenschwester, ist im Hause Berlusconi als eine Art Betreuerin des alten Herrn eingestellt.

„Ein erpresster Erpresser“

Er soll sie nach einem seiner Liftings kennengelernt haben und verschaffte ihr dann einen Sitz im Europaparlament und als Senatorin seiner Partei. Seit der Wahl brachte er sie für praktisch jedes Ministerium ins Gespräch - als Europaministerin, für Infrastruktur, schließlich für Tourismus, Jugend, Alte. Meloni blieb bei ihrem „No“.

„Erpressung“ - endlich werde die Geschichte des B. sogar von Meloni beim richtigen Namen genannt, bemerkte Marco Travaglio, Leitartikler der Tageszeitung „Il Fatto Quotidiano“ und der härteste langjährige Gegner des gewesenen Cavaliere. Der sei seit je, und jetzt im Falle Ronzulli, ein Erpresser und selbst Erpresster.

Er habe Millionen ausgegeben, um alle zu schmieren, die ihm, wie der damalige Ministerpräsident Bettino Craxi, beim Aufbau seines TV-Reichs halfen, später Politiker:innen, Anwälte und Minderjährigen seiner Sexpartys, damit sie in zahlreichen Prozessen falsch für ihn aussagten. Nur dass sich früher „Papis Girls“ mit einer Nebenrolle in einer TV-Seifenoper begnügten, einem sicheren Listenplatz oder einem kleinen Apartment in Roms Altstadt. „Jetzt ist ein Ministerium das Mindeste.“

Die Geister, die er rief, quälen ihn jetzt

Berlusconi schlage nicht deswegen so um sich, weil er senil werde. Er habe habe einfach nicht mehr genug zu verteilen - das Parlament etwa ist um ein Drittel der Abgeordneten geschrumpft, seine Partei noch deutlicher - „und verteidigt sich nach Kräften“.

Damit könnte er diesmal überzogen haben - und ausgerechnet an jener extremen Rechten scheitern, die er aus Machtkalkül als erster salonfähig machte. Melonis FdI ist die Nachfolge-Partei jenes MSI, seit 1946 Auffangbecken alter Faschist:innen, die bis dahin stets außerhalb jeder italienischen Regierung gehalten worden war. Berlusconi holte den MSI gleich 1994 in sein erstes Kabinett.

Meloni nämlich hat Berlusconi ihrerseits gezeigt, wer inzwischen das Sagen hat: Sein versuchter Coup im Senat scheiterte an ihrer guten Vorbereitung. Weil ihr Stab genügend Überläufer aus der Opposition zusammenbrachte, bekam Melonis Kandidat fürs Präsidentenamt im Senat sogar ein paar Stimmen mehr, als eine geschlossene Rechte ihm hätte geben können.

Versöhnungstreffen in Melonis Parteizentrale

Nach dem fast kindlichen Ausbruch über die böse Giorgia auf Papier scheinen Berlusconis Leute dabei zu sein, den Schaden zu begrenzen, den der verletzte alte Löwe angerichtet hat. Am Montag, berichtete der „Corriere della sera“, der relativ nah an dessen Hofe ist, werde es wohl ein Versöhnungstreffen geben. Vor allem Berlusconis ältere Kinder und Firmennachfolger, Marina und Piersilvio, seien daran interessiert - schon der Interessen des Unternehmensimperiums wegen. Ein „Halt“ von Marina Berlusconi ist demnach überliefert.

Die Versöhnungszeremonie, wie haltbar der Friede auch immer wird, kostete Berlusconi eine weitere Demütigung: Nicht er gewährt Audienz, wie in den letzten Jahrezehnten üblich, in einer seiner schlossartigen Villen. Er selbst musste am Montagabend bei Meloni antreten, in der FdI-Parteizentrale in Rom - eine Art Gang nach Canossa.

Auch Versuche, ein Treffen auf neutralem Grund zu organisieren, muss Meloni wohl abgelehnt haben - und schon deutlich vor dem Krach erklärt haben, sie wolle künftig keine politischen Treffen mehr auf Berlusconis Sitz Arcore bei Mailand oder in der römischen Niederlassung auf der Via Appia.

Das Vier-Augen-Gespräch endete am frühen Montagabend nach einer guten Stunde mit einem überaus diplomatischen Kommuniqué: Es gebe „große Übereinstimmung in den Zielen“, man werde auch mit gemeinsamen Vorschlägen für das Regierungspersonal zum Staatspräsidenten gehen.

Ob Berlusconi, der bei der konstitutierenden Sitzung im Senat teils verwirrt wirkte und gestützt werden musste, politisch tatsächlich am Ende des Wegs angekommen ist, wird sich allerdings erst zeigen, wenn die Regierung ihre Arbeit aufnimmt, ab Ende des Monats.

Seine Vertraute Ronzulli soll nun Fraktionschefin von Forza Italia werden - und könnte in diesem Amt einen Abnutzungskrieg gegen die Ministerpräsidentin führen. Wütend genug über Melonis kalte Schulter dürfte Ronzulli erst einmal bleiben.

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