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Chefarzt Lorenz Nowak (r) untersucht in Schutzkleidung in einem isoliertem Intensivbett-Zimmer einen Corona-Patienten. (Archivfoto)

© dpa/Peter Kneffel

„Aussagen sorgen für Empörung“: Manipulation bei Intensivbetten? Verbände wehren sich

Gesundheitsökonom Matthias Schrappe erhebt schwere Vorwürfe gegen die Divi. Intensivmediziner-Verbände reagieren nun mit einer gemeinsamen Stellungnahme.

Von Thomas Sabin

Unter dem Hashtag „Divigate“ ist am Montag auf Twitter eine hitzige Debatte über die Zahl der Intensivbetten entbrannt. Der Vorwurf: Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) habe Zahlen manipuliert.

Auslöser ist ein Thesenpapier, das die Tageszeitung „Die Welt“ aufgegriffen hat. Darin meint der Internist Prof. Dr. Matthias Schrappe es gebe zu viele Betten auf Intensivstationen in Deutschland. Eine Überlastung durch Corona-Patientinnen und -Patienten habe nie gedroht.

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Schrappe, ehemaliger Berater der Bundesregierung, vermutet laut „Welt“-Artikel „Manipulationen in offiziellen Statistiken, Subventionsbetrug und zweifelhafte Verwendung von Fördermitteln“. Jetzt haben sich die Verbände, gegen die Schrappe die Vorwürfe erhebt, selbst zu Wort gemeldet. In einer gemeinsamen Pressemitteilung wehren sie sich gegen die Vorwürfe.

„Die Aussagen des Ökonomen Prof. Dr. Matthias Schrappe und Kollegen in der ´Welt´ sorgen für Empörung“, heißt es in der Mitteilung. „Die Divi, der Marburger Bund Bundeverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) weisen deshalb die irreführenden Vorwürfe vom Spiel mit der Angst, der Manipulationen offizieller Statistiken und sogar die Unterstellung, rein aus finanziellem Interesse Patienten intensivmedizinisch zu behandeln, aufs Schärfste zurück.“

In dem umstrittenen „Ad-hoc-Papier“ zur Coronakrise, verfasst von einer Autorengruppe bestehend aus Mediziner:innen und Gesundheitsexpert:innen, heißt es unter anderem: „Was die Belegung der Intensivstationen betrifft, fällt weiterhin auf, dass die Corona-Patienten maximal ein Viertel aller Intensivpatienten ausmachen. Die Behauptung, alleine die Covid-19-Patienten würden für die Überlastung der Intensivstationen verantwortlich sein, erscheint vor diesem Hintergrund nur bedingt glaubwürdig.“

Vorwurf der finanziellen Vorteilsnahme

Aktuell würden in vielen Kliniken planbare Eingriffe wieder verschoben werden, damit es zu keiner Konkurrenz um einen Intensivplatz zwischen diesen Patienten und Corona-Infizierten komme, so die Autor:innen weiter. Dabei müsse man allerdings berücksichtigen, dass die Zahl elektiver Eingriffe in Deutschland im internationalen Vergleich unverhältnismäßig hoch sei. „Für die Kliniken sind die elektiven Eingriffe finanziell äußerst bedeutsam.“

Im Internet stürzen sich Verschwörungstheoretiker und Corona-Leugner auf den Artikel der Tageszeitung und verbreiten ihn. Intensivpflegekräfte und Ärzt:innen beginnen, sich gegen die Vorwürfe zu wehren.

Intensivpfleger Ricardo Lange, der sich seit langem für bessere Arbeitsbedingungen in der Intensivpflege einsetzt, reagiert auf Twitter ebenfalls auf das Thesenpapier: „In der Welt musste ich heute lesen, dass vermutlich Covid-19-Patienten auf der Intensivstation lagen, die dort nicht hätten liegen müssen. Ich weiß nicht viel über Statistiken, aber sehr wohl, wann ein Patient intensivpflichtig ist. Bei uns lag niemand, der es nicht müsste!“

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Gegen die erhobene Behauptung, die Krankenhäuser hätten zu Unrecht Fördergeld für nie aufgebaute Intensivbetten kassiert, erheben die Verbände in der gemeinsamen Pressemitteilung Einspruch. Die Behauptung sei nicht haltbar. „Viele der Anwürfe Schrappes basieren auf Fehleinschätzungen und mangelnder Kenntnis der tatsächlichen Lage in Kliniken.“

Schrappe erhebt Vorwurf der Angstmacherei

Der Vorwurf Schrappes, es sei Angst geschürt worden, verkenne die Situation des Frühjahrs 2020. Die Verbände beziehen sich auf die Situation im März 2020: „Es herrschte Angst davor, dass zahlreiche Patientinnen und Patienten nicht mehr ausreichend versorgt, insbesondere beatmet, werden könnten.“ Die Sorge sei angesichts der Situation in Italien, Frankreich und vielen anderen Ländern begründet gewesen. Die Politik habe folgerichtig den Aufbau so vieler Intensivbetten wie möglich beschlossen.

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Die Verbände machen außerdem darauf aufmerksam, dass es für den Rückgang der Intensivbettenzahl mehrere Gründe gibt. „Bereits Anfang August kam es im Divi-Intensivregister zu einem Rückgang der Intensivbettenzahl.“ Dieser sei auf eine Änderung bei der Abfrage der intensivmedizinischen Kapazitäten sowie dem Einsetzen der Pflegepersonaluntergrenzen zurückzuführen. In der Konsequenz hätten zahlreiche Kliniken ihre Bettenmeldungen an diese Personalvorgaben angepasst.

„Außerdem werden seitdem die Notfallreservekapazitäten separat abgefragt. Die Angaben zur Anzahl der freien betreibbaren Bettenkapazitäten haben sich in den folgenden Meldungen entsprechend reduziert“, heißt es weiter in der Mitteilung.

Manipulation offizieller Stellen

Schrappes Vorwurf, offizielle Stellen seien im Nachhinein manipuliert worden, wird ebenfalls entkräftet: „Das Divi-Intensivregister hat im Verlauf der Pandemie die Betten der Kinderintensivstationen aus der Gesamtzahl der betreibbaren Betten herausgerechnet – Betten auf der Frühchenstation (NICU) und schwerstkranke Kleinkinder (PICU).“

[Mehr zum Thema: Intensivmediziner appelliert verzweifelt – „Wir sind den Tod gewohnt, aber so etwas gab es noch nie“ (T+)]. 

Diese würden für die Versorgung von Covid-19-Patienten keine Rolle spielen. Auf die Veränderung der Darstellung reiner Erwachsenen-Betten, werde in sämtlichen Statistiken aber auch explizit hingewiesen.

Gänzlich unbelegt sei unter anderem der Hinweis, im internationalen Vergleich habe die Versorgung der Covid-Patienten in Deutschland unangemessen häufig in den Intensivstationen stattgefunden, erklären die Verbände.

„Dies ist eben gerade die Stärke der deutschen Krankenhausstrukturen, die schwerkranken Patienten adäquat in den Intensivkapazitäten zu versorgen. Wer daraus eine ´Fehlversorgung´ konstruiert müsste gleichzeitig Daten vorlegen, dass die Behandlungsergebnisse in anderen Ländern gleich gut oder sogar besser waren.“

Ein wirklicher Schlag ins Gesicht der Ärztinnen und Ärzte und der Pflegekräfte in den Krankenhäusern sei deshalb Schrappes Vorwurf, dass Patientinnen und Patienten ohne Not auf Intensivstationen gelegt worden wären. „Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte haben in den vergangenen Monaten unter höchster Belastung große Leistungen vollbracht und viele Leben gerettet“, so das abschließende Statement aus der gemeinsamen Mitteilung.

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