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Präsident Wladimir Putin in seiner Residenz in Nowo-Ogarjowo.

© Russian Presidential Press Service/AP/dpa

Update

„Ausspucken wie Mücken“: Aufruf zu Säuberungen? Putin schmäht pro-westliche Russen als „Abschaum“

In seiner Rede warf er dem Westen „die Zerstörung Russlands“ vor und drohte „Verrätern“. Berichten zufolge wurde nun ein hochrangiger General festgenommen.

Es war eine Abrechnung, die sich nicht nur gegen den „kollektiven Westen“ richtete. Was der russische Präsident am Mittwochabend im Staatsfernsehen übertragen ließ, hatte offenbar für manche unmittelbare Folgen. So soll einer der ranghöchsten russischen Militärs, General Roman Gawrilow, verhaftet worden sein.

Das berichtet unter anderem die britische Zeitung „The Telegraph“. Dass Wladimir Putin hochrangige Beamten entlassen oder einsperren lässt, ist nicht neu. Im Zuge seiner jüngsten Ansprache bekommt dieses Vorgehen aber eine neue Bedeutung.

Freund-Feind-Denken

Als sich Putin am 21. Kriegstag an die Bevölkerung wandte, warf er dem Westen vor, die russische Gesellschaft spalten zu wollen, auf militärische Verluste und sozioökonomische Folgen zu spekulieren und eine zivile Konfrontation in Russland zu provozieren, um ein Ziel zu erreichen: „die Zerstörung Russlands“. Dies werde nicht gelingen, erklärte der Präsident in seiner Videokonferenz vor Ministern.

„Jedes Volk, und insbesondere das russische Volk, wird immer die wahren Patrioten von dem Abschaum und den Verrätern unterscheiden können, um diese einfach auszuspucken wie eine Mücke, die versehentlich in ihren Mund geflogen ist.“

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Er sei aber davon überzeugt, „dass eine solche natürliche und notwendige Selbstreinigung der Gesellschaft unser Land, unsere Solidarität, unseren Zusammenhalt und unsere Bereitschaft, auf alle Herausforderungen zu reagieren, nur stärken wird“, sagte Putin.

Was dem verhafteten General Gawrilow vorgeworfen wurde, ist unklar. Der Vizechef der Nationalgarde könnte Informationen weitergegeben haben, schreibt der russische Investigativjournalist Christo Grozev auf Twitter und beruft sich auf mehrere Quellen.

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Gänseleber und Geschlechterfreiheit

Aus Putins Sicht ist der Westen zudem für alles Unheil verantwortlich, das gerade über die Welt hereinkommt. Er würde die Ukraine zum Krieg anstacheln und Labore betreiben, wo „Experimente mit der afrikanischen Schweinepest, Cholera und dem Coronavirus“ durchgeführt werden, behauptet Putin und schickt damit liebe Grüße an Verschwörungsgläubige.

Der westlichen Elite würde es zudem nur um ihre eigenen Interessen gehen, dabei setze sie auf die „sogenannte fünfte Kolonne“. Ein Begriff, den der russische Präsident seit Jahren bemüht und der für verdächtige Gruppierungen steht, deren Ziel ein Umsturz sei. Das wären laut Putin auch jene, „die hier bei uns Geld verdienen, aber dort leben“, sagte er, ohne das Wort Oligarchen zu verwenden.

Er würde keineswegs diejenigen verurteilen, die „eine Villa in Miami und an der Côte d’Azur haben, die auf Gänseleber, Austern oder sogenannte Geschlechterfreiheiten nicht verzichten können“. Das Problem liege aus seiner Sicht vielmehr in der Tatsache, „dass viele dieser Menschen aufgrund ihrer Natur mental genau dort und nicht hier, nicht bei unserem Volk, nicht bei Russland angesiedelt sind“. Sie wären aus seiner Sicht „bereit, ihre eigene Mutter zu verkaufen“, und mehr mit dem Westen zu sympathisieren.

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Vergleiche zu den Nationalsozialisten

Anders als der Chef der russischen Nationalgarde, Viktor Solotow, berichtete, will Putin nichts davon wissen, dass der Krieg im Nachbarland langsamer vorankommt als erhofft. Die von ihm so genannte „militärische Spezialoperation“ laufe nach Plan, so der Präsident.

Dann wandte er sein bekanntes Narrativ an, die demokratisch gewählte ukrainische Führung als Neonazis zu bezeichnen und deutete an, sie würden einen Völkermord an den russischsprachigen Menschen im Osten des Landes begehen. „In absehbarer Zeit war es möglich, dass das Pro-Nazi-Regime in Kiew Massenvernichtungswaffen in die Hände bekommen könnte, und sein Ziel wäre natürlich Russland gewesen“, so Putin.

Auch den Westen bezichtigte er, die antisemitischen Pogrome der Nationalsozialisten zu wiederholen, indem er versuche, Russland durch das Verbot „russischer Musik, Kultur und Literatur“ zu „löschen“. Er behauptet, in vielen westlichen Ländern würden Menschen verfolgt, „nur weil sie aus Russland kommen“. Ihnen werde medizinische Versorgung verweigert, Kinder werden von den Schulen verwiesen, Eltern ihrer Jobs beraubt, erklärte der Präsident im Staatsfernsehen. Der Westen „riss alle Masken des Anstands ab, begann grob zu handeln und zeigte seine wahre Natur“. 

[Aktuelle Entwicklungen im Ukraine-Krieg können Sie hier in unserem Newsblog verfolgen.]

Russland wiederum werde seine Ziele in der Ukraine erreichen und sich nicht dem, wie er es nannte, „westlichen Versuch unterwerfen, die globale Vorherrschaft zu erlangen und Russland zu zerstückeln“. Wenn der Westen dachte, dass Russland zusammenbrechen oder nachgeben würde, „kennen sie unsere Geschichte oder unser Volk nicht“.

Mehr zum Ukraine-Krieg bei Tagesspiegel Plus:

Er ortet einen „wirtschaftlichen Blitzkrieg“ gegen Russland

Mit Blick auf die Sanktionen, die von den Europa und den USA verhängt wurden, sprach er von einem „schweren Schlag“, der der „gesamten Weltwirtschaft und dem Handel, dem Vertrauen und dem US-Dollar als Hauptreservewährung“ versetzt wurde.

Zugleich bedankte er sich bei den russischen Banken, die „diese Herausforderung“ gemeistert hätten, ebenso bei den Herstellern, Zulieferer, Transport- und Logistikunternehmen, die alles getan hätten, um „großflächige Engpässe in den Handelsketten zu vermeiden“.

Es sei offensichtlich nicht möglich, einen „wirtschaftlichen Blitzkrieg gegen Russland zu organisieren, unsere Gesellschaft zu demoralisieren, uns in Eile zu nehmen“. Man werde sicher weiter Versuchen sehen, die den Druck auf Russland erhöhen sollen, so Putin.

Er schwor die Bevölkerung auf schwere Zeiten ein, wie etwa einen vorübergehenden Anstieg der Inflation und Arbeitslosigkeit. Zugleich versprach er Familien mit Kindern Unterstützung.

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