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Der australische Premierminister Scott Morrison muss sich mit schweren Vorwürfen gegen seine Regierung auseinandersetzen.

© imago images/AAP

Missbrauchsvorwürfe und Sexorgien: Australiens Regierung versinkt in Skandalen

Sexvideos und Vergewaltigungsvorwürfe gegen ein Kabinettsmitglied: Regierungschef Morrison versucht zu retten, was zu retten ist. Aber womöglich ist es zu spät.

Noch vor wenigen Wochen galt Australiens Premierminister Scott Morrison der EU als Vorbild. Er ging auf Konfrontationskurs mit China und zwang Facebook und Google mit einem neuen Mediengesetz in die Knie. Das katapultierte den bis dahin eher unscheinbaren Regierungschef in die Weltnachrichten.

Zuvor hatte Morrison nur selten auf dem globalen Parkett stattgefunden. Während der Buschfeuerkrise 2019/20 stand er abseits, sein geringes Engagement im Kampf gegen den Klimawandel ließ ihn rückschrittlich wirken. Dieses Image schien er zuletzt abgestreift zu haben.

Doch während Morrison außenpolitisch auf Höhenflug war, braute sich innenpolitisch ein Sturm zusammen. Innerhalb weniger Wochen jagte plötzlich ein Skandal den nächsten: Allein in der vergangenen Woche kam heraus, dass Parlamentsmitarbeiter Sexorgien im Parlamentsgebäude feierten und Prostituierte ins Parlament geschmuggelt wurde. Der Whistleblower, der Videos und Fotos dazu den Medien zuspielte, sprach vom „moralischen Bankrott“ im Parlament.

In den Wochen zuvor hatte zudem eine junge Frau öffentlich gemacht, dass sie 2019 von einem männlichen Kollegen im Büro einer Ministerin vergewaltigt worden sei. Diese Ministerin, Linda Reynolds, habe ihr, als sie den Vorfall meldete, keine angemessene Unterstützung gegeben. Zu diesem mutmaßlichen Verbrechen gesellte sich wenig später ein Missbrauchsvorwurf, der den australischen Justizminister Christian Porter betraf, die höchste Instanz für Recht und Ordnung im Land.

Als die Wälder in Australien brannten, flog er in den Urlaub - nach Hawaii

Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Vorwürfe verhielt sich Morrison sehr seltsam. Ähnlich wie er sich einst während der Buschfeuerkrise zurückgezogen hatte – damals flog er nach Hawaii in den Urlaub und scherzte, er müsse ja „keinen Löschschlauch halten“ –, versuchte der 52-Jährige nun über Wochen, die Skandale in seiner Partei auszusitzen.

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Vor allem im Vergleich zu Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern, die einen Terroranschlag, einen Vulkanausbruch und die Pandemie mit menschlichem Einfühlungsvermögen und der Fähigkeit, die Stimmung der Gesellschaft zu lesen, meisterte, verblasst Morrison in den Augen vieler Australier.

Auch Leute in den eigenen Reihen werfen Morrison "Sittenverfall" vor

Auch Mitglieder aus Morrisons eigenen Reihen kritisieren den Sittenverfall inzwischen heftig. So schrieb die Politikerin Catherine Cusack, wie Morrison Mitglied der liberal-konservativen Partei, in einem Meinungsstück für den Guardian, dass es in ihren Reihen „einige junge Männer mit hohen Gehältern“ gebe, die in einigen der Büros von Ministern und Parlamentariern „aggressive Fraktionsarbeit“ leisten würden. „Sie sind sowohl von Macht als auch von Alkohol berauscht“, behauptete Cusack.

Einen Großteil der Schuld würden dabei auch die Vorgesetzten tragen. „Sie legitimieren und tolerieren Verhaltensweisen, die ihren eigenen Interessen dienen, um Macht zu erlangen und zu behalten.“

Frauen in ganz Australien seien inzwischen verärgert über das, was in der Hauptstadt Canberra vor sich gehe, glaubt Cusack. Dabei spielten nicht nur persönliche Erfahrungen und Solidarität mit den Opfern eine Rolle, sondern vor allem das Gefühl der Ohnmacht, das viele inzwischen empfinden, wenn diese Skandale scheinbar ignoriert werden.

Morrison abzusetzen ist nicht leicht - er selbst hat die Regeln verschärft

Morrison selbst scheint trotz des politischen Bebens noch immer in einer sicheren Position zu sein. Dies liegt zum einen daran, dass er selbst die Regeln verschärft hat und Premierminister nicht mehr so leicht abgesetzt werden können wie noch vor einigen Jahren. Zum anderen liegt es daran, dass sein „Boys’ Club“ zusammenhält und einige seiner treuen Parteigenossen weiter zu ihm halten.

Um seinen Ruf im Volk halbwegs wiederherzustellen, stellte Morrison am Montag nun zumindest sein Regierungsteam neu auf. Die beiden in die Kritik geratenen Minister, Christian Porter und Linda Reynolds, erhalten neue Aufgaben, der bisherige Innenminister Peter Dutton übernimmt den Posten des Verteidigungsministers und mit Karen Andrews steht erstmals eine Frau dem Innenministerium vor.

Ob dies jedoch ausreichen wird, um vor allem die weiblichen Wähler wieder mit Morrison und seiner Partei zu versöhnen, wird sich erst im kommenden Jahr zeigen, wenn Australien ein neues Parlament wählt.

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