zum Hauptinhalt
Nato-Soldaten bei einer Zeremonie in Litauen (Archivbild vom Februar 2022)

© Foto: AFP/Petras Malukas

Balten zweifeln an deutschem Beistand: „Können wir wirklich den Deutschen trauen?“

In Osteuropa gibt es trotz der Zeitenwende weiter Skepsis gegenüber der Macht in der Mitte Europas. Auf einer Außenpolitik-Konferenz fallen deutliche Worte.

Von Hans Monath

Trotz der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende der deutschen Sicherheitspolitik sind in den baltischen Ländern weiter Zweifel verbreitet, ob Deutschland im Ernstfall Osteuropa militärisch helfen würde. Dies machten mehrere Redner auf dem diesjährigen Forum Außenpolitik der Körber-Stiftung am Dienstag in Berlin deutlich.

So sagte der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks, viele Balten stellten sich die Frage: „Können wir wirklich den Deutschen trauen, und können wir diese Unterstützung bekommen, wenn wir sie wirklich brauchen?“ Dies sei für die Balten „eine fundamentale Frage der Existenz“.

Ähnlich wie der estnische Außenminister Urmas Reinsalu forderte Pabriks Deutschland auf, die militärische Unterstützung für die angegriffene Ukraine massiv auszuweiten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) versicherte, Deutschland stehe zu seiner Beistandspflicht innerhalb der Nato. „Wir sind für euch da“, sagte sie an die Adresse der Balten: „Die Sicherheit des Baltikums, die Sicherheit Osteuropas ist unsere Sicherheit und wir werden im Ernstfall jeden Zentimeter unseres Bündnisgebietes verteidigen.“

Pabriks, der auch Vizepremierminister Lettlands ist, verlangte indirekt eine massive Aufstockung der Bundeswehr, um die Verteidigungsfähigkeit der Nato in Osteuropa zu garantieren.

An die Adresse der Deutschen sagte er: „Sehr viel wird von Ihrer Militärmacht abhängen. Ihre Militärmacht ist nicht da. Sie entspricht nicht Ihrer wirtschaftlichen Macht.“

Lettlands Verteidigungsminister und Vizepremier Artis Pabriks (Archivbild)
Lettlands Verteidigungsminister und Vizepremier Artis Pabriks (Archivbild)

© Foto: AFP/Gints Ivuskans

Gleichzeitig würdigten der lettische Verteidigungsminister und der estnische Außenminister auf der Veranstaltung mit dem Titel „Der Preis des Friedens. Sicherheit für Deutschland und Europa neu denken“ die Fortschritte ihres Gastlandes auf dem Weg zu einer robusteren Sicherheitspolitik. „Ich glaube, dass die deutsche Gesellschaft sich verändert, und zwar in die richtige Richtung“, sagte Pabriks.

Er begrüße, dass „eine Zeitenwende stattfindet“, meinte Reinsalu und fügte hinzu: „Ich beglückwünsche Deutschland zu der jüngsten Entscheidung, Flugabwehrsysteme zu liefern.“ Darauf könne Deutschland „stolz sein“. Die Bundesregierung hatte kürzlich das erste Exemplar des modernen Flugabwehrwehrsystems Iris-T an die Ukraine übergeben.

Beide baltischen Politiker forderten dringend, die Militärhilfe für die Ukraine massiv aufzustocken. Die noch im März in westlichen Ländern verbreitete Überzeugung, wonach die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine einen „nuklearen Winter“ auslösen werde, habe sich als „Mythos“ herausgestellt, sagte der estnische Außenminister Reinsalu und schlug die Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine vor. Es brauche maximal drei Monate, um ukrainische Piloten an ihnen auszubilden.

Wir müssen alles tun, was wir können, um sie mit allem zu versorgen, was sie brauchen.

Artis Pabriks, Verteidigungsminister Lettlands

Der lettische Verteidigungsminister Pabriks äußerte indirekt Zweifel am materiellen Umfang der deutschen Rüstungshilfe für die Ukraine. Lettland mit weniger als zwei Millionen Einwohnern habe seit Beginn des Krieges Waffen im Wert von 300 Millionen Euro geliefert, das viel größere Deutschland nur im Wert von 800 Millionen Euro, rechnete er vor.

Pabriks verlangte, die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine auszuweiten. „Wir müssen alles tun, was wir können, um sie mit allem zu versorgen, was sie brauchen“, sagte er: „Sie müssen gewinnen.“

Baerbock versicherte erneut, Deutschland werde die Ukraine nicht nur politisch, wirtschaftlich und mit humanitärer Hilfe, sondern „weiter auch mit Waffen intensiv unterstützen“. Schließlich verteidige die Ukraine „in ihrem Überlebenskampf auch die europäische Freiheit“.

Die Außenministerin zeigte Verständnis für die Sorge der Balten und anderer Osteuropäer um ihre Sicherheit. Deutschland habe die Sicherheit in Europa lange „als allzu selbstverständlich erachtet“ und müsse nun aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. So müsse es künftige „einseitige wirtschaftliche Abhängigkeit“ wie die von russischem Erdgas und Erdöl vermeiden, die europäische Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich ausbauen und wichtige Infrastruktur wie Bahntrassen oder Strom- und Internetkabel besser schützen.

Der Einsatz der deutschen Außenministerin für die Sicherheit Osteuropas wird im Baltikum positiv gewürdigt, wie Pabriks und Reinsalu deutlich machten. „Wir wissen, dass wir uns in Estland auf Annalena Baerbock verlassen können“, sagte Reinsalu.

Pabriks würdigte Baerbock als „Speerspitze der Zeitenwende“ und fügte hinzu: „Sie ist in den baltischen Staaten am populärsten“. Baerbock hatte die drei baltischen Staaten im April auf einer dreitägigen Reise besucht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false