
© imago
Höheres Strafmaß für Frauenhass: Baustelle Werteordnung
Gewalt gegen Frauen und wegen sexueller Orientierung wird härter bestraft. Ein richtiges Signal. Dieses Land ist weniger weit, als es glaubt. Ein Kommentar.

Stand:
Die Gewalt gegen Frauen, die auch hierzulande herrscht, haben kluge Köpfe vor nicht allzu langer Zeit in eine griffige Formel gepackt, die womöglich dabei geholfen hat, die Größe des Problems zu erkennen: „Jeden Tag versucht ein Mann, eine Frau umzubringen. Jeden dritten Tag gelingt es ihm.“ Und damit ist die Gewalt, die nicht tötet, noch gar nicht gemeint: Demütigung, psychische Gewalt oder Folter, Schläge, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung.
"Kein Mann darf über eine Frau bestimmen wollen"
Jetzt geht es an Abhilfe: Gewalt gegen Frauen und Homosexuelle soll künftig stärker geahndet werden. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat einen Gesetzentwurf zur Reform des Paragrafen 46 im Strafgesetzbuch angekündigt. Dort sind die Grundlagen für die Zumessung einer Strafe geregelt. So wie schon bisher das Motiv Antisemitismus sollen in Zukunft auch solche Beweggründe die Strafe verschärfen, die auf das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung des Opfers zielen.
Es ist ganz klar, dass ein Gesetz Gewalt nicht verhindert. Aber es kann Wertevorstellungen definieren, die auf mittlere und lange Sicht Standard werden sollen: „Wir senden damit auch ein Signal in die Gesellschaft: Wer aus männlichem Besitzdenken Frauen angreift, handelt unserer Werteordnung in besonders eklatanter Weise zuwider“, so Buschmann. Kein Mann dürfe über das Leben einer Frau bestimmen wollen.
Richtig und gut. Sollte vielleicht nur mit dem bisschen Vorsicht gelesen werden, das das Wort von „unserer Werteordnung“ verdient. Wer ist „wir“ und was „unsere Werteordnung“? Die Konstruktion von „wir“ und „die anderen“ funktioniert noch zu gut, als dass diese Formulierung nicht aufhorchen ließe. Wir guten autochthonen Deutschen womöglich und die Frauenhasser aus anderen Weltgegenden oder mit einer Familiengeschichte von dort?
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Ehefrauen waren lange Frauen minderen Rechts
Muss und wird der Minister so nicht gemeint haben. Aber an alle, die es viel zu oft so lesen: Für die Frauen, die alle drei Tage an tätlichem Frauenhass sterben, ist nicht allein das Viertel Männer mit Migrationshintergrund verantwortlich. Blonde Männer haben ihren Anteil. Ebenso wie eine „Werteordnung“, die die Unterwerfung von Frauen unter Männer in Deutschland jahrzehntelang in Gesetzesform goss, etwa als mindere Rechte verheirateter Frauen: Die Ehemänner durften deren Jobs kündigen und in Familiendingen allein entscheiden, selbst über die Namen der Frauen bestimmten sie.
Alles noch nicht ewig her, und den Abtreibungsparagrafen gibt es eh noch. Das Signal ist also gut, aber an der Werteordnung darf gern noch gearbeitet werden.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: