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Bei Stromsteuer, Mütterrente und Co.: Entlastungen in Koalitionsvertrag summieren sich auf 50 Milliarden Euro
Eine IW-Studie beziffert die im schwarz-roten Koalitionsvertrag geplanten Entlastungen auf 50 Milliarden Euro – jedes Jahr. Institutschef Michael Hüther sieht vor allem eine große Schwachstelle.
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In ihrem am Mittwoch vorgestellten Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD vorgenommen, Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger spürbar zu entlasten. Einer am Donnerstag veröffentlichten Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) zufolge summieren sich die darin genannten Maßnahmen nach einer ersten Schätzung und bei vollständiger Umsetzung auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr.
Allein die geplante Senkung der Stromsteuer und Deckelung der Netzentgelte in Verbindung mit dem Industriestrompreis sollen demnach eine Entlastung in Höhe von elf Milliarden Euro versprechen.
Durch diverse geplante Änderungen bei den Freibeträgen für Rentner, Ehrenamtler, Alleinerziehende, die höhere Pendlerpauschale und steuerfreie Überstunden kämen rund sieben Milliarden Entlastung zusammen.
IW-Chef gehen Maßnahmen nicht weit genug
In den kommenden drei Jahren sollen die Unternehmen von degressiven Abschreibungen in Höhe von 30 Prozent profitieren können. Zwischen 2026 und 2028 entlaste das Unternehmen um insgesamt sieben Milliarden Euro pro Jahr, so das IW. Ab 2028 soll zudem die Körperschaftsteuer in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt gesenkt werden. Im ersten Jahr entspreche das einer Entlastung von etwa vier Milliarden Euro.
Institutschef Michael Hüther geht das nicht weit genug. „Das ist eine gute Brücke, auch wenn ich mir noch mehr hätte vorstellen können“, sagte der Ökonom dem „Handelsblatt“. Auch bei der Senkung der Energiepreise und den steuerlichen Entlastungen für Unternehmen insgesamt ist Schwarz-Rot aus seiner Sicht etwas zu zurückhaltend.
So soll der Soli weiter von den oberen zehn Prozent der Steuerzahlenden sowie Unternehmen erhoben werden. „Den Soli hätten Union und SPD streichen müssen und dafür die Mittel finden können“, sagt Hüther.
Allein drei CSU-Projekte kosten 8,5 Milliarden Euro
Die Mütterrente schlage mit gut vier Milliarden Euro zu Buche, die gesenkte Mehrwertsteuer in der Gastronomie ebenfalls. Die Subvention des Agrardiesels soll Landwirtschaftsbetrieben 0,5 Milliarden bringen. Alles hat es auf Drängen der CSU in den Koalitionsvertrag geschafft. Die Mehrheit der Ökonominnen und Ökonomen in Deutschland hält das für falsch. Hüther ebenso, allerdings scheint er sich damit abgefunden zu haben. „Wir müssen aufhören, so zu tun, als könnten wir verhindern, dass die Politik nicht immer ein Stück weit falsche Prioritäten setzt.“
Zu den genannten Entlastungen kommen noch weitere Maßnahmen von zusammengenommen zwölf Milliarden Euro dazu: die Frühstart-Rente, ein höheres Elterngeld, das BAföG, die Förderung von E-Autos, die Fortführung des Deutschlandtickets und die Senkung der Luftverkehrsteuer. Alle Maßnahmen stehen allerdings noch unter Finanzierungsvorbehalt.
Unzureichende Antwort auf Deutschlands Demografieproblem
Trotz der in Aussicht gestellten Entlastungen von über 50 Milliarden Euro hat der Koalitionsvertrag aus Sicht von Hüther einen entscheidenden Schwachpunkt: Auf Deutschlands Demografieproblem gebe er keine zureichende Antwort. „Uns brechen in den nächsten Jahren Millionen von Arbeitskräften weg, die das Rentenalter erreichen“, so der Ökonom: „Und die künftige Koalition reagiert hier mit nichts weiter als Homöopathie.“
Union und SPD wollen unter anderem die Fachkräftestrategie weiterentwickeln, die Erwerbsquote von Frauen erhöhen und Rentnerinnen und Rentner länger auf dem Arbeitsmarkt halten. Auch von der Aktivrente, also steuerfreie Bezüge für Einkommen bis zu 2000 Euro hält er nichts. „Das ist extrem teuer und bringt kaum etwas.“
Union und SPD haben den 144-Seiten-langen Vertrag am Mittwoch in Berlin vorgestellt. Er soll die Grundlage für die Neuauflage einer schwarz-roten Koalition sein. In der CSU haben die Gremien schon am Donnerstag zugestimmt. Bei der CDU soll ein Kleiner Parteitag wohl am 28. April darüber befinden; in der SPD entscheiden alle Mitglieder bis voraussichtlich 29. April. Nach der Zustimmung soll CDU-Chef Friedrich Merz Anfang Mai zum Bundeskanzler gewählt werden. (mit Reuters)
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