
© Imago/Matthias Koch
Berlin und Olympia: Wer Metropole sein will, darf sich nicht von einer Landeshauptstadt kleinmachen lassen
München ist nach dem deutlichen Bürgervotum klarer Favorit im Rennen um eine deutsche Olympia-Bewerbung. Aber genau darin liegt jetzt die Chance der Hauptstadt.

Stand:
München hat ein deutliches Signal gesendet. Die Stadt ist bereit für Olympische Spiele. Eine Zweidrittelmehrheit für Olympia sichert der bayerischen Landeshauptstadt ganz klar die Führungsposition im Rennen um eine deutsche Bewerbung. Und es setzt den Rest der Anwärter massiv unter Druck.
Insbesondere die Hauptstadt. Berlin will sich zusammen mit anderen Nachbarregionen auch bewerben. Es wird auch in Berlin verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung geben, aber keinen Volksentscheid.
Das ist schon Teil des Problems. Nicht nur, weil man damit die Chance verspielt, sich Rückenwind für die Bewerbung zu holen, sondern auch, weil man gar nicht gefordert ist, richtig dafür zu kämpfen.
Die politischen Verantwortlichen in der Stadt beteuern zwar, dass sie für Olympia seien, allein man spürt nicht viel davon. Viel zu lange hat es gedauert, bis erste Strukturen aufgesetzt und Verantwortliche benannt waren und bis der Finanzrahmen stand.
Da war München schon kilometerweit enteilt. Und auch jetzt hat man das Gefühl, Berlin ist mit angezogener Handbremse unterwegs, auch weil man wohl davon ausgeht, dass die Stimmungslage in der Hauptstadt eher gegen Olympia ist als dafür.
SPD und CDU ducken sich vor der Linken weg
Ableiten kann man das auch aus Umfragen, die aktuell eher ein gespaltenes Verhältnis der Berlinerinnen und Berliner zu den Spielen zeigen. Gegner und Befürworter halten sich die Waage, es gibt viele Unentschlossene. Das heißt aber auch: Eine große, zementierte Ablehnung gibt es derzeit gar nicht.
Der wahre Grund für die Zurückhaltung der Handelnden in der Hauptstadt könnte die politische Gemengelage sein. Die Linke wird für die CDU des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner allmählich zur größten Konkurrenz – und die ist traditionell eher gegen Olympia und keine Freundin des Sports. Auch ihre Anhänger lehnen die Spiele bisher am klarsten ab. Und da Teile der Berliner SPD die Linke gerne noch links überholen würden, dürfte das auch die Zurückhaltung bei der SPD erklären.
Wer wirklich Hauptstadt sein will, wer für sich beansprucht, Metropole von internationalem Rang zu sein, darf sich nicht von einer Landeshauptstadt kleinmachen lassen.
Christian Tretbar, Tagesspiegel-Chefredakteur, zur Olympia-Bewerbung Berlins
Doch das ist ein Fehler. Statt sich ängstlich wegzuducken, sollten CDU und SPD das Thema mit voller Kraft und Überzeugung angehen. Für Olympia werben und das Thema sichtbar in die Öffentlichkeit bringen. Wer wirklich Hauptstadt sein will, wer für sich beansprucht, Metropole von internationalem Rang zu sein, darf sich nicht von einer Landeshauptstadt kleinmachen lassen.
Eine Berliner Olympia-Bewerbung würde der ganzen Region enorm helfen. Wer kürzlich in Paris war, kann immer noch viel vom Spirit der Spiele in der französischen Hauptstadt erleben und bei genauer Betrachtung auch erkennen, was es für Verkehr, Wohnen und Sportstätten gebracht hat. Olympia ist sicher kein Allheilmittel für alle urbanen Probleme, aber die Spiele können zur Lösung einen wichtigen Beitrag leisten.
Olympia als Gegenmittel im Land der Bedenkenträger
Die Hauptstadt, letztlich ganz Deutschland, braucht dringend ein Aufbruchssignal. Das Land der Bedenkenträger ergeht sich in polarisierenden Diskussionen – siehe die Stadtbild-Debatte. Oder es blickt ängstlich in die Zukunft – siehe Finanzlage, technologische Entwicklung, geopolitische Auseinandersetzungen.
Eine selbstbewusste Olympia-Bewerbung als Mittel gegen Verzagtheit und Verdruss – sie würde uns guttun. Uns allen. Ein gemeinsames Ziel, etwas, worauf dieses Land stolz sein kann. Schon einmal hat ein Sportereignis das vermocht: die Fußball-Weltmeisterschaft 2006.
Ob das Sommermärchen Deutschland nachhaltig wirtschaftlich genutzt hat, mag umstritten sein. Sicher aber ist: Sie war ein ungeheurer Stimmungsaufheller und hat das Land geeint.
Und Wirtschaft, das zumindest ist klar, lebt nicht allein von Zahlen, sondern auch sehr viel von Stimmungen, Klima und Emotionen. Genau das bietet Olympia. Diese Chance sollte sich auch die Hauptstadt nicht entgehen lassen.
Die Voraussetzungen wären da: Erfahrungen mit Großveranstaltungen, Spielstätten, Infrastruktur. Ja, München mag die Vorrunde gewonnen haben. Und ja, Bayerns Landeshauptstadt ist der klare Favorit im Rennen. Momentan sieht es schon fast nach einem Ding der Unmöglichkeit aus, die Spiele an die Spree zu holen.
Aber genau damit kennt sich Berlin aus – das schier Unmögliche möglich zu machen. Es müssen nur alle wollen und angehen. Unverzüglich.
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